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Der Weltenbaum Teil 10: Die Rückkehr der Seelen

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Können wir den Apfel wieder an den Baum kleben? 

Das ist es was wir zu Weihnachten symbolisch tun, wenn wir die verloren gegangenen Äpfel, die wir selbst sind, wieder an den Baum hängen, als eine Umkehr und Wiedergutmachung einer verloren gegangenen Verbindung. Das ist der Sinn von Religion, was "Rückanbindung" bedeutet. Das ist das eigentliche Weihnachtsgeschenk, das sich die Menschen (irgendwo tief im Unterbewusstsein natürlich) wünschen. Auch wenn wir meistens nur Socken bekommen.

"Im Mittelalter behängte man den Baum, der durchaus auch ein Laubbaum sein konnte, mit Äpfeln. Noch Anfang des 20. Jahrhunderts gehörten Adam und Eva sowie eine Schlange zum traditionellen Christbaumschmuck in Norddeutschland, da der 24. Dezember in der Liturgie der Gedenktag Adam und Evas war."(Q, Q) Wenn man an die Schlange denkt, sieht man die Girlanden um Weichnachts- und Maibaum mit neuen Augen! Und was ist ein Weihnachtsbaum anderes, als der Versuch, einen Baum aus Licht nachzuahmen (Lichtanalogie)?

Absurd: "Die katholische Kirche wehrte sich lange gegen die Weihnachtsbäume, weil sie in ihnen eine Konkurrenz zur Weihnachtskrippe sah und der Tanne ausserdem der heidnische Bezug anhaftete. Erst im Laufe des 20. Jahrhunderts akzeptierte auch die katholische Kirche den Christbaum." (Q)

Diese ganze Symbolik der erhofften Rückanbindung ist insofern passend, da oft angenommen wird, dass das Jahr 0 den Tiefstpunkt und die Kehrtwende im Schöpfungszyklus markiert (siehe auch den religiösen Begriff Umkehr). Jetzt haben wir also in 10 Teilen den berühmten Weltenbaum kennengelernt, in dem die Seelen "hinfortfliegen". Nur wollen die zersprenkelten Teile vermutlich auch wieder zurück!

Die Rückkehr der Seelen - die zweite Richtung des Weltenbaumes!

Es gibt die 2. Hälfte der Reise, und deshalb auch eine 2. Variante des Weltenbaumes, wobei der jetzt von der Erde zum "Himmel" wächst, damit sich der Kreislauf schliesst. Diese Perspektive ist für uns auch intuitiver. Man könnte sagen, es ist dann weniger ein "Schöpfungsbaum" sondern eher ein "Rückkehr-Baum".

In der Bibel stehen beide Bäume nebeneinander:

Abstieg und Aufstieg = die 2 Bäume der Bibel

Beide Bäume sind in der Essenz Eins, so wie ein Aufzug, in dem ich entweder nach oben oder nach unten fahren kann. Das eine ist der "Baum des Lebens", das andere der "Baum der Erkenntnis von Gut und Schlecht". Offensichtlich ist es so, dass "Leben" und "Erkennen von Gut und Schlecht" sich ausschliessen. Das simple Prinzip heisst: Leben beruht auf Ganzheit, Sterblichkeit auf Spaltung. Der beurteilende Verstand spaltet immer. Wenn Jesus sagte: "Urteilt nicht", dann hätte er auch sagen können "esst nicht die Früchte von gut und schlecht". Die Wahrheit des Sein selbst ist ganzheitlich, und kann nur beurteilungslos wahrgenommen werden.

Sind die Früchte des Weltenbaumes gut oder schlecht?

Dadurch, dass es im Weltenbaum also 2 Richtungen gibt, entsteht eine Verwirrung, wenn man die Mythen interpretiert. In manchen Darstellungen wächst der Weltenbaum von der Erde zum Himmel, manchmal umgekehrt. Und je nach Mythos weiss man nicht so recht, ob die Früchte Göttlichkeit symbolisieren oder den Tod bringen, ob die Protagonisten einen fatalen Irrtum begeht, ob sie die "richtigen" Früchte erwischen, etc. Man weiss nicht mehr wo oben und unten ist!

Doch diese Verwirrung in uns (die Einflüsterung der Schlange) ist Bestandteil des Mythos. Wir haben als Menschen die Orientierung verloren und wissen nicht, welches Handeln zu mehr Einheit oder zu mehr Trennung führt. Noch heute können sicher die wenigsten erklären, was am "Erkennen von gut und schlecht" denn schlecht sein soll. Und noch heute glauben wir, unser menschlicher Verstand macht uns zur Krone der Schöpfung. Das stimmt auch, nur dass die Krone eben am weitesten entfernt ist vom Stamm.

C.G. Jung sagte darüber: "Alle Unterscheidungen zu verlernen ausser die der Richtung ist Teil der Erlösung. So befreit man sich vom alten Fluch des Wissens von Gut und Schlecht. Weil du beides getrennt hast und nur nach dem Guten strebtest und das Schlechte verleugnetest während du es trotzdem begingst, war der Baum von den Nährstoffen der Tiefe abgeschnitten." (Q)

Die Frage, ob die "Früchte von Gut und Schlecht" gut oder schlecht sind, zeigt jedenfalls eines, nämlich dass wir sie gegessen haben! Es gibt auch keine einfache Antwort, denn die Sache ist ambivalent: im Buddhismus z.B. wird die menschliche Daseinsform - obwohl mit so viel Leid verbunden - am gewinnbringendsten von allen eingeschätzt (Q).

Der Kreis schliesst sich:

Schöpfungszyklus im Buddhismus
Beim hinduistischen Ashwatta ist es so: anstatt von 2 Bäumen gibt es hier einfach 2 Arten von Früchten: die des Aufstiegs, und die des Abstiegs (Q). Auch clever! Der Schöpfungszyklus ist bekannterweise im Hinduismus in 4 Yugas eingeteilt, wonach wir uns momentan im dunklen, eisernen "Kali-Yuga des Konfliktes" befinden, was mit dem eisernen Zeitalter nach Hesiod bei den Griechen in Verbindung gebracht wird (Q). Weltweit verbreitetes Symbol für den ewigen Kreislauf ist der Ouroboros, die Schlange die sich in den Schwanz beisst (Q).

Dass der Weltenbaum in zwei Richtungen "bereist" werden kann, war natürlich auch den Kabbalisten sonnenklar (siehe hier).

Man kann die 2 Bäume auch übereinanderstellen, wie hier beim skandinavischen Yggdrasil. Warum auch nicht? Dass es sich um einen Kreislauf handelt, kann man daran erahnen, dass sich die Blätter fast berühren.

Der nordische Weltenbaum (Darstellung von 1874)

Aber die beste Darstellung ist der berühmte keltische Weltenbaum. Er symbolisiert perfekt den ewigen Kreislauf zwischen Vielfalt und Einheit. Das wird im Hinduismus mit einer Aus- und Einatembewegung des göttlichen Bewusstseins verglichen. Aus der Einheit strömen die Seelen in die Vielheit, und die suchen sich einen neuen Weg (unten herum) zurück zur Einheit. Das hat ausserdem eine stark dualistische Komponente, weil der gespiegelte Baum auch das Unterbewusstsein darstellt. Genau dieses gilt es aufzuarbeiten und beim Rückweg "mitzunehmen", sodass wieder Einheit entsteht.
Der keltische Lebensbaum
Genau dieser Kreislauf der Existenz wir auch ein paar tausend Kilometer entfernt im chinesischen Daodejing beschrieben, den Schriften des legendären Laozi, auf dem u.a. der Daoismus beruht. Das "Dao" ist der unaussprechliche Urgrund allen Seins (und hat anscheinend weiblichen Artikel):
Sie ist der Beginn der unzähligen Dinge (§1), und die unzähligen Dinge fliessen zurück zu ihr. (§34) Sie vollendet den Kreislauf und verliert dabei an nichts. Sie ist klein als auch groß. Das Große führt weit fort, und weit entfernt dreht sie, und drehend kommt sie zurück. (§25) Windend und drehend: sie kann nicht benannt werden. Sie führt zurück in die Formlosigkeit. Sie ist verborgenes Licht! (§14) (eng.)
Exakter kann man die Abbildung des keltischen Weltenbaumes kaum beschreiben! Und im Kommentar der Herausgeber zu Kapitel §40 heisst es:
Was dieses Kapitel berühmt macht, ist die Sequenz von "Seinslosigkeit"über "Sein" zu "Alles was ist". Jedes, so heißt es, bringt das nächste hervor, wobei das verwendete chinesische Verb für "hervorbringen" ein Pflanzenwachstum andeutet. In anderen Worten, das grundlegende Bild ist das eines Samens der zum Trieb wird, und dann zu einem Baum. (Q)
So eine Überraschung! Wir sind also wieder genau beim Thema, bei Jesus' Samenkornanalogie wenn man so will.

Der keltische Weltenbaum zeigt, dass die materielle Ebene keine Sackgasse ist, wo das Bewusstsein 180° umdreht und den selben Weg retour geht.  Es ist also nicht unbedingt so dass der Baum wächst und dann wieder zurückschrumpft. Auch der Rückweg ist Teil des großen Kreislaufes, mit neuen Erfahrungen. Eine Stelle eines modernen channelings (crimson circle), die eigentlich nicht vom Weltenbaum handelt, beschreibt das:
Hinter der festen Materie, hinter der Dualität verbirgt sich eine weitere Tür, eine völlig neue Physik, aber es wird dahinter nicht noch dichter. Und ihr geht auch nicht zurück nach oben. Nein, ihr geht hindurch und im Kreislauf herum. Es ist eine große Spirale. (Q)

Schöpfungsprinzipien im Daodejing

Aber weiter im Daodejing: auch hier findet man das Aufspalten und Verringern des "göttlichen Lichtes", wenn es heißt:
Das Dao trennt sein Sein auf, verringert sein Licht, verschmilzt mit der Erde (Q)
Das "Gewebe" (engl. weft) des Sein trennt sich auf, so wie auch Licht beim Schicken durch ein Prisma in einzelne Farben aufgetrennt wird. Dadurch verringert sich das "Licht" mehr und mehr, und drittens: letztlich entsteht dabei eine Ebene der Materie - der "Staub der Erde" wie es in manchen Übersetzungen heisst. Somit sind die wichtigsten Faktoren in einem einfachen Satz enthalten! In China werden übrigens traditionell 9 Himmel (Tian) definiert, oder auch gleich 36 (Q).

Yin und Yang + Weltenbaum

In den Upanishaden... 

gibt es Analogien zu diesem Rückweg, bei dem aus Vielheit wieder Einheit wird, wobei sich alles, was ich in den vorigen 9 Teilen erklärt habe, umdreht:

"So wie Bienen den Saft von Bäumen zur Einheit zusammentragen, und niemand sagen kann, von welchem Baum welcher Saft kam; so wie die Flüsse sich im Ozean vereinigen, und niemand sagen kann, welches Wasser von welchem Fluss kam; egal ob Tiger, oder Löwe, oder Wolf, oder Eber, oder Vogel, in dieses Seiende gehen sie zurück. so wie sich das Leben aus einem Ast zurückzieht, und der Ast abstirbt; so stirbt der Leib, wenn er vom Leben verlassen wird, nicht aber stirbt das Leben; so wie der Baum im Baumsamen unsichtbar ist, aus solcher Feinheit die du nicht wahrnimmst, aus jenem Bestehen ist dieses Weltall, das ist das Reale, das ist die Seele, das bist du." (Q)

Es ist nicht so als gäbe es im Hinduismus voneinander getrennte Götter, mit Begriffen wie Polytheismus muss man sehr aufpassen (oder sie am besten nicht verwenden). Genauso wie im Christentum ist die hinduistische Dreifaltigkeit (Trimurti) 3 Eigenschaften des Einen (Brahman), und alles Sein in der Schöpfung ging daraus hervor. Aus dem Bhagavata Purana:

Herr, auch wenn die Menschen bestimmte deiner Ausformungen verehren, so verehren sie nur dich, denn du bist die Gesamtsumme aller Devas. So wie sich der Regen in den Flüssen sammelt die sich im Ozean vereinen, so vereinen sich alle Wege in dir (Q).

Die Welten werden wieder eingefaltet

Bei der Rückkehr, die der keltische Weltbenbaum oder etwa der Mayakalender so großartig beschreibt, werden alle Ebenen in umgekehrter Reihenfolge ihrer Entstehung wieder angehoben. Die Menschen früher hatten Angst vor dem letzten Tag, an dem Gott mit Posaunen und Trompeten die Welt wieder zerstören würde. Im Hinduismus ist es Shiva, der Zerstörer, der das erledigt, was ja in Wahrheit etwas Gutes ist, denn es ist eine Transformation in einen höheren Zustand. Dabei wird der "sterbliche Körper als unsterblicher Körper wiedererweckt", wie Paulus sagt (Korintherbriefe). Solange das noch nicht der Fall ist, "trampelt" Kali auf Shiva herum und verhindert das.

Diese Ära des "Kali-Yuga" in der wir uns befinden ist bei Paulus durch 2 symbolische Eckpfeiler definiert: "so wie wir mit Adam in die Sterblichkeit der materiellen Seinsform eingetreten sind, so sollen wir mit Jesus wieder aufsteigen" - hier ist also der Zyklus der gesamten Menschheit gemeint, der eingebettet ist in den Zyklus des ganzen materiellen Universums. Beides ist insofern verknüpft, wenn man nach der buddhistischen Auffassung gehen will, nach der die Welt mit Verlassen des letzten Bewohners verschwindet - der letzte dreht das Licht aus! Wie am letzten Tag der Schule, aber es ist der letzte Tag in der materiellen Welt.

Über diese Auferweckung (engl. raising: Anhebung, Aufstieg) am letzten Tag, die dem Themenkreis des globalen "Bewusstseinssprunges" in eine höherdimensionale Daseinsform entspricht, liest man unter 1 Korinther 15:

"Jetzt sind unsere Körper nicht perfekt, aber wenn sie auferstehen werden, werden sie voller Herrlichkeit sein. Jetzt sind sie schwach, dann aber voller Kraft. Jetzt sind es natürliche menschliche Körper, aber wenn sie auferstehen, werden es geistliche Körper sein.  .... Denn unser vergänglicher irdischer Körper muss in einen himmlischen Körper verwandelt werden, der nicht mehr sterben wird." (Q)

Selbst das Tote wird angehoben. Um es esoterisch zu sagen: egal welche welche Energien noch in der Materie gefangen sind, welche Knochen in der Erde herumliegen, welche Geister noch verirrt sein mögen, alles wird bis dorthin freigespült und angehoben. Spätestens bei dieser Auferweckung sind wir "Erwachte".

Zyklen innerhalb von Zyklen

In Wikipedia ist zu lesen, dass die Auferweckung am jüngsten Tag und die Lehre der Reinkarnation "schwerlich" vereinbar sind. Das ist grundlegend falsch. Wir sprechen hier von völlig unterschiedlichen Ebenen von Zyklen. Es ist, als würde jemand davon sprechen, dass Schüler jeden Tag in die Schule gehen, und diese auch jeden Tag wieder verlassen. Und ein anderer redet davon, dass am Anfang des Jahres die Schule aufgesperrt wird, und am Ende des Schuljahres wieder zugesperrt wird....und die kleinen 1.-Klässler eine Stufe höher kommen. Ist das schwerlich vereinbar? Nur wenn man das System nicht verstanden hat, was leider auch bei den meisten Pfarrern, Theologen und sonstigen "Experten" der Fall ist.

Weil es hier ja um den Weltenbaum geht, noch der Hinweis, dass auch dieser Aufstieg explizit als "blitzartig" beschrieben wird (Q,Q), Paulus spricht dabei zwar ausdrücklich von der Schnelligkeit in der das geschehen soll, angesichts dessen worum es in den vorigen 10 Teilen ging muss man aber hinterfragen, ob nicht Jesus ursprünglich wieder die übliche Symbolik meinte, in der er auch den Abstieg beschrieb, nur dass jetzt die Blitzform Richtung Einheit zurückverfolgt wird.


Der Weltenbaum Teil 11: in der Philosophie

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Platon
Das Prinzip des Weltenbaumes ist in der Philosophie am besten von den Neuplatonikern beschrieben worden, die, angeführt von Plotinus (Plotin), die Ideen des großen Platon genauer ausformulierten. Eine Hauptfrage war dabei: wie entstand die Vielfalt unserer Realität aus "dem Einen" (Wikipedia).

Hier kommt wieder der Begriff der Emanation ins Spiel: aus dem einen Urbewusstsein spalten sich demnach fortlaufend immer kleinere Bewusstseinsteile ab. Wie beim Dao (voriger Artikel) wird das "Ausfalten" des Seins aus dem Einen beschrieben, wodurch unsere Realität entsteht. Aus dem Wikipediaartikel zum "Einen":
Das Differenzierte ist nur die Ausfaltung von etwas, das im Undifferenzierten auf eingefaltete Weise vollständig enthalten ist. Durch den Hervorgang oder das Ausfließen tritt eine Vielzahl von Eigenschaften zutage. (Q)
Plotin
Was ist dieses Eine? Es hat selbst keinerlei Eigenschaften, es ist vollkommen einfach und unaussprechlich, es ist "der unerkennbare Urgrund, der sowohl die schöpferische Quelle, aber auch das Ende darstellt in das alle Dinge letztendlich wieder eingehen. Das Eine ist dabei so einfach, dass man nicht einmal behaupten kann dass es existiert."  (Q)

"Einfach" bedeutet hier die Abwesenheit jeglicher Trennungen - es ist ein undefinierbares Alles und Nichts. Das selbe sagte ja Thomas von Aquin (Jahrhunderte später natürlich) in der "Summe der Theologie", nämlich dass Gott "ganz und gar einfach" ist, und zu diesem Sein "sonst keinerlei Eigenschaften hinzutreten" (Q). Es hat auch keine Selbstwahrnehmung und Selbsterkenntnis - dazu ist Subjekt und Objekt nötig, siehe auch den japanischen Mythos von Amaterasu (Teil 3).

Das Modell der Schöpfungsebenen der Platoniker

Stufe für Stufe werden aus dieser Einheit weitere Seinsebenen, sogenannte Hypostasen, hervorgebracht (emaniert), die ein weiter zersplittertes und verringertes Abbild der jeweils vorherigen darstellen. Für diesen Prozess ist das Symbol des Baumes perfekt.
Gott ist im wahrsten Sinne nichts als das uranfängliche Sein, das sich in einer Vielzahl von Emanationen und Manifestationen offenbart. Plotinus lehrte die Existenz eines unaussprechlichen, transzendenten Einen, von dem aus der Rest des Universums als eine Abfolge von geringeren Wesenheiten emaniert.
Zuerst entsteht durch die erste Einschränkung der Unendlichkeit das erste Sein, das man überhaupt als solches bezeichnen kann. Es ist für die nachfolgenden Ebenen der "Schöpfergott", der sogenannte "Demiurg", der eine "vollkommene Entsprechung der Einheit ist, und doch nur eine eingeschränkte Ableitung davon". Es ist reiner Geist, und ein Archetyp für alle existierenden Dinge, die in ihm noch "unausgefaltet" enthalten sind.

Man könnte das mit einem unbearbeteten Holzstück vergleichen, aus dem man potentiell unzählige kleine Holzfiguren schnitzen kann.


Dazu diese Stelle, die es auf den Punkt bringt:
In der Ontologie (Lehre vom Sein) der emanistischen Systeme ist die Gesamtwirklichkeit hierarchisch strukturiert. Sie besteht aus einer bestimmten Anzahl von Stufen (Hypostasen). Die oberste Stufe ist durch größtmögliche Einheit (Undifferenziertheit) charakterisiert und wird daher oft „das Eine“ genannt. Von oben nach unten nimmt die Differenziertheit zu. Auf der untersten, am stärksten ausdifferenzierten Stufe erreicht die Entfaltung der Besonderheit ihr Maximum. Sie zeigt sich in der höchst unterschiedlichen individuellen Beschaffenheit der Einzeldinge. Dieser Bereich ist durch die größtmögliche Fülle von einzelnen Merkmalen und Merkmalkombinationen gekennzeichnet. Dadurch erhält die unterste Stufe ein Höchstmaß an Mannigfaltigkeit, aber auch an Zerstreuung und Vereinzelung der Objekte. Die übrigen Stufen bis hinab zur untersten, der Materie, 
Die übrigen Stufen bis hinab zur untersten, der Materie, sind der jeweils nächsthöheren Stufe entsprungen und haben somit ihren Ursprung nur mittelbar in Gott. Wikipedia: Emanation

Dieses "Stufenmodell" ist nichts anderes als christliche bzw. jüdische Schöpfungshierarchie aus "Engels-Chören". Auch die Parallelen zu den veschiedenen spirituellen Lehren wie dem Hinduismus sich offensichtlich. Wieder haben wir hier das metaphorische "Überfliessen" des Einen, wie im 4. Teil erklärt. Plotin:
Denn da es vollkommen ist, weil es nichts sucht noch hat noch bedarf, so floss es gleichsam über und seine Ueberfülle brachte anderes hervor. Es findet also ein Process vom Ersten bis zum Letzten statt, indem ein jedes immer an seinem Ort zurückgelassen wird, das Erzeugte aber einen andern Rang d.h. einen schlechteren erhält; ...   (Plotin: die Enneaden)
Das heisst in anderen Worten, die Seele bleibt bei der Inkarnation wo sie ist, aber die ausgesendete Inkarnation begibt sich in eine "verringerte" ("schlechtere") Realität.

Seele und Inkarnation im Neuplatonismus

Viele Konzepte über die Inkarnation, die in der heutigen Spiritualität gang und gäbe sind, sind schon im Neuplatonismus formuliert:
In der geistigen Welt ist die Seele immer ungeteilt. Es liegt aber in ihrer Natur geteilt zu werden, durch das in den Körpertreten, wobei ein Teil von ihr nicht herabkommt. (Q)
Dieses Konzept ist nach wie vor in heutigen channelings zu finden, wonach die Gesamtseele bei der Inkarnation die kleinere menschliche Teilseele aussendet, und die Bewusstseins-Differenz zwischen beiden als Überseele bezeichnet werden kann. Somit existiert die Seele laut Plotin gleichzeitig in 2 Seinszuständen, wobei der hervorgebrachte Seelenteil immer kleiner sein muss als das Ganze, und sich die Dinge "naturgemäß zerstreuen" (Q). Deshalb ist ja der Weltenbaum ein so passendes Symbol für die Schöpfung, weil die Zweige immer kleiner sind als der Ast, und sich der Baum auf diese Weise "zerstreut". Plotin kommt zu dem Ergebnis, dass es "nur eine Seele gibt, und doch viele, und zwar mussten aus der einen die verschiedenen abgeleitet sein". (Q)

Was man bei der Emanation verstehen muss - und was ich bisher vielleicht noch nicht betont habe -, ist folgendes:

Das Eine bleibt trotz der Emanationen ganz

Es ist also nicht so wie bei einem zerbrochenen Teller, bei dem jetzt nur noch die Teile existieren, sondern es ist vielmehr so als würde der Teller gleichzeitig als ganzes existieren, gleichzeitig in einem Zustand von 3 Teilen, gleichzeitig in einem von 100 Teilen, in einem von 1.000, einem von 10.000, u.s. (die Zahlen sind jetzt natürlich nur beliebig). Diese Seinszustände repräsentieren nach der christlichen bzw. jüdischen Schöpfungshierarchie die Elohim, Cherumbim, Seraphim, bis zu den Erzengeln, Engeln usw. Es sind verschiedene Hypostasen, oder "Himmel" wie die Religionen sagen würden.

Philosoph Hegel, ein "moderner Neuplatoniker", der das Wirkliche auch als Emanation bezeichnete, über dieses scheinbare Paradoxon:
Die Welt ist nicht [direkte] Emanation der Gottheit, sondern nur Emanation als Teil der unendlichen Teilung der ursprünglichen transzendenten Einheit, wobei diese Teilung paradoxerweise die ursprüngliche Einheit ungeteilt lasse. - Hegel (Q)
Er spricht hier auch an, dass der Mensch nicht "direkt" von "Gott" erschaffen ist, sondern am Ende einer Schöpfungskette steht - eine Idee die so manchem Christen unsympathisch ist.

Und analog dazu heisst es im Hinduismus über das transzendente Eine ("Narayana")
Es ist das vollkommen Ganze, und auch obwohl alles von ihm kommt, ist es immer noch vollständig. (Q)
Egal wie sehr es im Ganzen also wimmelt, das Ganze wird davon nicht verändert. Deshalb nannte Aristoteles Gott ja den "unbewegten Beweger". Und die kabbalistische Lehre sagt das selbe so:
Diese stufenweise Emanation der Schöpfung füllt nicht etwa eine Leere, die in Gott vorher bestanden hätte. Die Unterscheidung zwischen dem unendlichen "Ein Sof" und den folgenden 10 Emanations-Stufen erscheint nur aus eingeschränkter Sicht. Aus Gottes Perspektive sagen die Schriften: "Ich, das Ewige, Ich habe mich nie verändert" (Q).
Es ist faszinierend wie alle spirituellen Richtungen der Welt übereinstimmen. Und im chinesischen Daodejing, Paragraf §4, hört es sich so an:
Das Dao fasst alles Bestehende in sich. Aber durch sein Wirkengeht es nicht etwa im Bestehenden auf. Abgründig ist es, als wie aller Geschöpfe Ahn. (Q)
Hier haben wir auch wieder den Vergleich mit einem Verwandtschaftsverhältnis, weil eine Bewusstseinsebene die nächste hervorbringt. Gott ist quasi "Urahn", und die Schöpfung wie ein "Stammbaum" - so wie auch Träume (zumindest die üblichen Verstandes-Träume) von mir selbst hervorgebrachte Kreationen auf einer verringerten Traum-Ebene sind. Auch Plotin verwendete die Traum-Analogie in seinen "Enneaden":
Dies möge denn gegen diejenigen gesagt sein, welche das Seiende in die Körperwelt setzen, wobei sie sich auf den mechanischen Stoss berufen und die Eindrücke der sinnlichen Wahrnehmungen als Beleg der Wahrheit nehmen. Aehnlich wie die Träumenden halten sie das für wirklich was sie sehen, während es doch Traumbilder sind. (Q)
Auf die Traumanalogie, die vor allem in den Upanishaden große Bedeutung hat, werde ich noch in einem eigenen Artikel eingehen.

Die Rückkehr zur Einheit laut Plotin

"Wenn jemand an einem Baume die Auswüchse oder die Zweige oben abschneidet, wo ist dann die hierin befindliche Seele hin? Nun, woher sie gekommen ist ... so gelangt sie in die Kraft vor ihr .... In der Seele vor dieser. ...Sie ist also wie ein grosses, weithin sich erstreckendes Leben: jeder der nächstfolgenden Theile ein anderer, ohne dass der frühere in dem folgenden untergeht.

Nicht nur macht Plotin hier deutlich, dass sich das menschliche Bewusstsein nach dem Tod wieder mit dem Bewusstsein vereint aus dem es hervorgegangen ist, sondern betont wieder, dass bei der Inkarnation als Mensch die Gesamtseele nicht etwa verschwindet.

Und es heisst: "Das Hervorgehen wird im Neuplatonismus als eines der Elemente einer Trias (Dreiheit) aufgefasst, die aus Verharren, Hervorgehen und Rückkehr besteht." (Wikipedia: Emanation) Das entspricht exakt der hinduistischen Trimurti aus Vishnu, Brahma und Shiva! Und somit entsteht der Schöpfungszyklus (siehe auch Teil 10: die Rückkehr der Seelen):
Er [Plotin] lehrt, alles Hervorgegangene wende sich auf seinen Ursprung zurück. In diesem System fällt der Endpunkt des Rückgangs mit dem Ursprung des Hervorgangs zusammen, daher bilden die drei Elemente der Trias – bildhaft ausgedrückt – Momente einer kreisförmigen Aktivität. (Wikipedia: Emanation)
Und darüber wie sich diese Rückkehr auf individueller Ebene vollziehen kann:
Jedes Individuum reflektiert als Mikrokosmos die Ordnung des Ganzen, des Makrokosmos. Für Plotin bestand das Ziel des Menschen in der Umkehr des Emanations-Prozesses, nämlich in der Vereinigung mit den höheren Seinsstufen durch Meditation, also das Erreichen von Gedankenstille und somit die Aufhebung von Fragmentierung in sich selbst (Wikipedia: Henosis).

Platons "Geheimlehre"

Für die Neuplatoniker war es selbstverständlich, dass sie das Erbe Platons getreu fortführten. Aus Sicht der modernen Forschung wurde das aber erst in den 1960er Jahren deutlicher, als an der Universität Tübingen Platons "ungeschriebene Lehre" rekonstruiert wurde - ein Paradigmenwechsel in der Plato-Forschung. Platon hatte seine "esoterische Doktrin", wie sie auch genannt wurde, nämlich nur fortgeschrittenen Schülern mündlich überliefert, weil er sie für die Öffentlichkeit nicht geeignet hielt. 

Was hält eigentlich die Kirche von dem Emanations-Prinzip?

Also was sagt die Kirche zu diesem Konzept, das an in allen Erdteilen und spirituellen Lehren zu finden ist, und von dem auch Jesus auch selbst sprach?

Sie belegte es 1870 im ersten vatikanischen Konzil mit dem Kirchenbann:
„Wer sagt, die endlichen Dinge – sowohl die körperlichen als auch die geistigen oder wenigstens die geistigen – seien aus der göttlichen Substanz ausgeflossen, […] der sei mit dem Anathema belegt.“ (Q)
Was für eine schreckliche machtpolitische Fehlentscheidung, und was für eine Selbstdemontage. Wie kann man überhaupt eine Feststellung verdammen, die so simpel und grundlegend ist, wie etwa auch Leibnitz sagt:
Auch neuzeitliche Philosophen haben die Schöpfung als ein Ausfließen des Geschaffenen aus Gott gedeutet. Leibniz meinte, es sei „völlig klar“, dass Gott die erschaffenen Substanzen „unablässig in einer Art von Emanation hervorbringt, so wie wir unsere Gedanken hervorbringen“ (Q)
Emanation ist kein exotisches ausgeklügeltes Konzept. Es heisst eigentlich nur, dass alles eine geistige Kreation ist (womit das Christentum natürlich wie jede Religion übereinstimmt, Jesus: "Gott ist Geist"). Das Christentum kehrte generell das "Stufenmodell" weitgehend unter den Teppich. Man hatte wohl das Gefühl, Gott würde ein Zacken aus der Krone brechen, wenn er den Menschen nicht "direkt und höchstpersönlich" erschafft, vermutlich weil das eine Idealvorstellung ist. So wie es es auch eine Idealvorstellung ist, dass sich die Erde im Zentrum des Universums befindet - nur dass das eben trotzdem falsch ist...


Dafür beschloss die Kirche auf dem selben Konzil etwas anderes: nämlich die Unfehlbarkeit des Papstes. Ohje....

Links:
Das Eine
Emanation 
Neuplatonismus

Der Weltenbaum Teil 12: Die Schöpfung ist ein Fraktal!

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Ich habe also gezeigt, dass alle Religionen die Schöpfung als Baum, Blitz, Flussdelta u.ä. beschrieben haben. Und man stellt fest: das sind alles sogenannte fraktale Strukturen, die sich dadurch kennzeichnen, dass jeder beliebige Teil daraus aussieht wie das Ganze - die selben Prinzipien und Eigenschaften wiederholen sich auf kleineren Skalen immer wieder! Wenn die Schöpfung ein Fraktal ist, ist diese sogenannte "Selbstähnlichkeit" tatsächlich in den "heiligen Schriften" in Bezug auf die Schöpfung beschrieben? Ja, und das belege ich in diesem Artikel!

Aber zuerst: was sind Fraktale?

Weltenbaum, Baum des Lebens - die Schöpfung ist fraktal
Lunge eines Affen
In den 1980er Jahren formulierte der Mathematiker Benoit Mandelbrot die revolutionäre fraktale Geometrie, und enträtselte so die verborgene Ordnung der Natur. Fraktale Muster sind allgegenwärtig: in Gebirgszügen, in den Wolken, in Wasserfällen, im Blitz, in Pflanzen, in Gemüse, in der Schneeflocke, in der Lunge, unserem Ader- und Nervensystem usw., Seht tolle Beispiele hier! Sie sind aber auch in weniger offensichtlichen Dingen wie dem Muster unseres Herzschlages, oder dem Verhältnis zwischen kleinen und großen Ästen eines Baumes, welches das selbe ist wie das Verhältnis zwischen kleinen und großen Bäumen im ganzen Wald - typisch fraktal eben!

Schaut euch bei Interesse folgende Doku an, sie ist echt spannend: "Fraktale - Die verborgene Ordnung der Natur".

Hier ein paar Beispiele für Fraktale:

Fraktale: jede Stufe ist ein kleines Abbild der vorherigen

Weltenbaum, Baum des Lebens - die Schöpfung ist fraktalHier z.B. diese Art von Brokkoli - ein Paradebeispiel: er besteht aus vielen Knubbeln, und jeder Knubbel besteht aus vielen kleineren Knubbeln, und auf diesen sind wieder kleinere Knubbel!

Oder dieser Farn: jedes Blatt sieht aus wie der ganze Farn, und auch jedes Blatt besteht aus noch kleineren Minifarnen, und diese wieder...

Weltenbaum, Baum des Lebens - die Schöpfung ist fraktalUm das auf uns umzumünzen, könnte man sagen, dass Menschen wie die winzigen Miniknubbel auf einem etwas größeren Knubbel sind - unserem Universum! - aber das gesamte System ist noch viel größer. Statt der Baumanalogie hätte Jesus also auch eine Brokkoli-Analogie nehmen können (aber wer mag schon Brokkoli...).

Oder: wäre unser Universum wie ein solches Mini-Blatt am Farn, dann wäre der Urknall direkt am Mini-Stengel, über den wir aber nicht hinausschauen können.

Erste wissenschaftliche Berührungen mit der fraktalen Natur...

Weltenbaum, Baum des Lebens - die Schöpfung ist fraktal
Leonardo DaVincis Untersuchung
der Ebenen in der Baumstruktur
Mit jeder Gabelung beginnt eine neue "Stufe" in der Baumstruktur. Damit beschäftigte sich schon Leonardo DaVinci, wie man in der Abbildung links sieht.

Er war auch Pionier was Landkarten aus der Vogelperspektive anbelangt, und bemerkte: "Der Ozean atmet mit den Gezeiten, das Fleisch der Erde ist der Boden, ihre Knochen die Felsen... das Meer durchzieht den Körper der Erde mit unzähligen Wassseradern. Der Mensch und die Welt sind sich sehr ähnlich" (Q). Das klingt zwar noch nicht sehr wissenschaftlich, aber er erkannte die Ähnlichkeiten zwischen dem Kleinen und Großen.

Die Abbildung unten links zeigt das, was Mathematiker heute einen "binären Baum" nennen, der sich strikt rechtwinklig immer in je 2 Äste spaltet - das bietet sich an, weil es die einfachste Art ist, einen fraktalen Baum zu zeichnen. Es ist auch jene Form, die die Maya für ihren Weltenbaum gewählt haben - seht die Abbildung aus Teil 8 hier! Man könnte meinen, die dargestellte "Geburt" des Menschen steht am Ende eines fraktalen Prozesses.

Weltenbaum, Baum des Lebens - die Schöpfung ist fraktal
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Weltenbaum, Baum des Lebens - die Schöpfung ist fraktal

Die Aussage rechts ist witzig und treffend: "Der beste Beleg dafür, dass die Natur unseres Universums fraktal ist, ist dass Menschen aus anderen Menschen kommen." Die Abbildung des "Hand-Baumes" erinnert an den daoistischen "Weltenbaum" in Teil 9. Das fraktale Prinzip war schon vor Jahrhunderten bekannt!

Fraktale werden als allgegenwärtig anerkannt. Nur .... eine klitzekleine Sache wird dabei nicht in Erwägung gezogen: die Möglichkeit, dass unser Universum selbst nur ein Teil eines Fraktals ist - und genau das haben alle Religionen anhand des "Weltenbaumes" vermittelt

Die Schöpfung ist ein Fraktal

In dem Fall sind die Iterationsstufen atürlich die beschriebenen "Himmelsebenen". Hier nochmal meine Darstellung aus dem ersten Teil. Dass ich nicht der einzige bin dem das auffällt, sieht man z.B. an der Abbildung rechts, die ich bei meiner Recherche auch noch gefunden habe (Quelle):
Weltenbaum, Baum des Lebens - die Schöpfung ist fraktal
Weltenbaum, Baum des Lebens - die Schöpfung ist fraktal
Was ist aber nun mit dem Prinzip der Selbstähnlichkeit? Ist es wirklich in den alten Schriften beschrieben?

Das Prinzip der "Selbstähnlichkeit" ... 

... findet sich etwa bei Thomas von Aquin im 13. Jht:
"Denn was von Gott ist, das ist Ihm ähnlich und ahmt Ihn möglichst nach"
Das selbe wurde schon viel früher im Neuplatonismus von Plotin gelehrt: "alles von ihm ist in ihm und mit ihm zusammen; eine Nachahmung und Spiegelbild jenes. (Q) und "die Seele ist dem erzeugenden Vater ähnlich." (Q)

Diese grundlegende Feststellung ist natürlich schon in der Genesis in der Aussage "Lasst uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich." vorhanden, sie muss nur richtig gelesen werden. Tausende Kilometer weiter im Osten ist die Selbstähnlichkeit aller Schöpfungsebenen  von oben bis unten in aller Deutlichkeit im Daodejing zu lesen, den Schriften des legendären Laotse:
Menschen imitieren die Erde, die Erde imitiert den Himmel, der Himmel imitiert das Dao, das Dao imitiert sein natürliches Selbst. (Q)
Die Ähnlichkeit bezieht sich aber nicht nur auf den Menschen, sondern generell auf unsre Welt. Hermes Trismegistos, der legendäre Lehrmeister des ägyptischen Hellenismus dazu:
"Oder weißt du nicht, daß Ägypten das Abbild des Himmels ist oder, was der Wahrheit mehr entspricht, daß hierher all das, was es im Himmel an Lenkung und Aktivitäten gibt, übertragen und herabgeführt wurde?"
Jetzt ist es natürlich so, dass wir nicht mehr von einem simplen Brokkoli sprechen, sondern vom Sein selbst. Vielleicht kann man sich dieses "Herabführen" so vorstellen, als würde man eine 4-dimensionale Welt auf eine 3-dimensionale herunterbrechen. Hier denkt man natürlich auch an den sagenumwobenen "paradiesischen Zustand", der angeblich irgendwann verloren ging. Und natürlich nimmt Hermes nur deshalb Ägypten als Beispiel, weil er zu Ägyptern sprach, es gilt aber generell für unsere Welt. Hermes war Begründer der "Hermetik": "Griechische, jüdische wie auch islamische Schriftsteller sowie die christlichen Kirchenväter wurden von ihm beeinflusst, bedeutende Gelehrte wie Pythagoras und Platon haben ihre Philosophie von der Hermetica abgeleitet" (Q).

Auch in seinem Werk "Corpus Hermeticum" werden Kosmos und Mensch als "Abbilder Gottes" bezeichnet, und man liest: "
Als Abbild dieses Gottesist dieser Kosmos geschaffen worden, als Nachahmer der Ewigkeit." Und: "Weil sich diese Dinge nun so verhalten, ist alles bei seiner Bewegung von ganz unten nach ganz obenmiteinander verbunden und bezieht sich aufeinander". 
Das heisst es gibt ein Ganzes, von dem wir aber nur einen kleineren, "selbstähnlichen" Teil wahrnehmen. Im letzten Satz ist wieder das Symbol der alle Stufen verbindenden Weltenachse (Teil 6) erkennbar!

Weltenbaum, Baum des Lebens - die Schöpfung ist fraktal
Thomas von Aquin
Weltenbaum, Baum des Lebens - die Schöpfung ist fraktal
Laozi
Weltenbaum, Baum des Lebens - die Schöpfung ist fraktal
Hermes Trismegistos

... auch in Europa, Asien....

So wie oben Ägypten als Beispiel genommen wird, so wird daraus im Judentum/Christentum das "himmlische Jerusalem", das sich laut dem Buch der Offenabarung erst wieder verwirklichen muss! Siehe auch hier. Es ist hier also die Rede von der "nächsthöheren" Ebene im Fraktal, von der unsere nur ein Abbild ist. Diese Apokalypse/Offenbarung ist eine Umkehrung des Verlassens des Paradieses, und gleichbedeutend mit der Idee des "Bewusstseinssprungs" (siehe Teil 10). Und siehe da: das selbe gibt es im Hinduismus, wo erklärt wird, dass das irdische Indien mit einem "himmlischen Indien" korrespondiert, und zwischen beiden Ebenen eine Verbindung besteht, die durch "mystisches Reisen" genutzt werden kann (Q).

... das Selbe bei den Maya und Azteken...

Weltenbaum, Baum des Lebens - die Schöpfung ist fraktal
mesoamerikanischer Weltenbaum
Alfonso Caso, mexikanischer Archeologe und ehemaliger Rektor der Universität Mexiko, betont die in den Mythen beschriebene Existenz der himmlischen Welt vor der irdischen, "ein Konzept das sich immer wieder in den mexikanischen Kulturen findet", wie in diesem Artikel zu lesen ist. Darin heisst es weiter, "dass somit die himmlische Stadt von den mythologischen 'Vorvätern' bewohnt wird, den Ahnen, die die Genealogie bilden, die in den mesoamerikanischen Kodizes beschrieben wird."

Wie ich schon beim Thema Schamanismus erklärt habe, geht es bei den Ahnen nicht um biologische Stammbäume, sondern um die fraktalen Bewusstseinsstruktur der Schöpfung! Und weiter in dem Artikel:
"In der Tatjede [religiöse] Symbologie beruht auf der Annahme, dass eine bekannte Ebene der Ausdruck einer anderen, noch unbekannten ist.  ...  

Es gibt keinen fundamentalen Unterschied zwischen der 'irdischen Stadt' und der 'himmlischen', weil das erstere das letztere in unserer Welt ist".
Die 2 Stufen sind sich eigentlich nicht nur ähnlich, sondern in gewissem Sinne identisch, denn die Trennung ergibt sich nicht zuletzt durch die eigene eingeschränkte Wahrnehmungsfähigkeit. Um diese gleichzeitige Existenz von Seinszuständen ging es ja im vorigen Teil!

Beim großen Platon....

Weltenbaum, Baum des Lebens - die Schöpfung ist fraktal
Platon
.... einem der größten Denker des Abendlandes, war das Prinzip von Urbild und Abbild DAS zentrale Element im Rahmen seiner "Ideenlehre".

Demnach sind "physische Objekte und Vorgänge lediglich 'Schatten' ihrer wahren Form. So wie Schatten nur temporäre, durch physische Objekte geschaffene Epiphenomena sind, so sind physische Objekte selbst nur flüchtige Erscheinungen, verursacht durch einen substanzielleren Ursprung

Die Ideenlehre vermittelt also, dass die materielle Welt wie sie uns erscheint nicht die wahre Welt ist, sondern lediglich ein "Abbild", oder eine 'Kopie' der wahren Welt." (Wikipedia: Platon)

Weltenbaum, Baum des Lebens - die Schöpfung ist fraktal
christliche Engelshierarchie
- selbstähnliche Seinsebenen
Die christlichen Theologen konnten damit durchaus etwas anfangen, weil sie darin Aussagen der Bibel wiedererkannten, z.B. wird unter Hebräer 8 über die Heiligtümer des Moses gesagt, es seien lediglich Abbilder und Schatten der himmlischen Dinge, die Moses nach dem ihm offenbarten "Urbild" anfertigte. Diese "Offenbarung" könnte man demnach als einen Einblick in eine umfassendere Realität interpretieren, oder eben Platons "Ideenwelt".

Platons Modell und das Konzept der Emanation (das stufenweise Hervorgehen von Seelen und Welten aus dem Einen) wurden im nachfolgenden Neuplatonismus genauer ausformuliert, wobei das Prinzip der Selbstähnlichkeit ein wichtiges Element darstellt:
"das Hervorgegangene hat notwendigerweise am Wesen seiner Quelle Anteil und ist ihr als Abbild mehr oder weniger ähnlich". (Q)
Diese hervorgegangenen Ebenen sieht man im Bild rechts oben: es ist zwar kein Brokkoli, dafür aber das typische christliche Schöpfungsmodell der Seinsebenen. Dazu passend zitiert Helena Blavatsky in ihrem Buch "Die Geheimlehre" folgende alte tibetische Umschreibung der Inkarnation:
Sagt die Flamme zum Funken: "Du bist mein eigenes Selbst, mein Ebenbild und Schatten. Ich habe mich in dich gekleidet und du bist mein Vâhan [Vehikel]".
Dieses Prinzip zieht sich durch sämtliche Ebenen, so dass aus dem Einen Bewusstsein unzählige Seelen und Welten werden, so wie aus dem Stamm eines Baumes unzählige Äste werden.

Korrespondierende Abbilder...

Für diese Spiegelung der Ebenen verwendete der Wissenschaftler und Mystiker des 18. Jdhts. Swedenborg den Begriff "Korrespondenz". Der Wikipedia-Artikel dazu ist zwar ideologisch gefärbt, aber man kann trotzdem einiges herauslesen:
"Das Ganze ist Eins, und die verschiedenen Ebenen (Welten) sind equivalente Systeme, so dass ein Teil in einer Welt den korrespondierenden Teil in einer anderen Welt reflektiert und mit ihm interagiert." 
Die ersten Kapitel der Genesis sollen, so heißt es dort, auf dem symbolhaften Herunterbrechen der höheren Welten auf unsere Ebene beruhen - nichts anderes ist ja der Sinn und Zweck eines Mythos. Das beste Beispiel dafür sind die vielen Genealogien, also die Stammbäume ("aus dem Stamme Davids" etc...), die von Fundamentalisten wörtlich genommen werden, und die daraus ein Erdalter von 5.000 Jahren berechnen. Stattdessen sollten diese Leute den Taschenrechner weglegen und erkennen, dass auch das Metaphern für die "stammbaumartige", also fraktale Struktur des Bewusstseins sind, und genau das symbolisiert der Weltenbaum.

"Wie im Großen so im Kleinen" - esoterischer Schwachsinn?

Das Prinzip der Selbstähnlichkeit wird wohl nirgends deutlicher vermittelt als durch den Grundsatz "wie im Großen so im Kleinen", mit seinen Abwandlungen "wie oben so unten" oder "wie innen so aussen". Wer diese Aussagen als "esoterischen Blödsinn" verlacht, hat sich offensichtlich nie mit fraktalen Strukturen beschäftigt, und könnte genauso gut Benoit Mandelbrot persönlich ins Gesicht lachen (wenn er noch leben würde). Und das taten auch viele seiner wissenschaftlichen "Kollegen", die die Bedeutung seiner Arbeit nicht verstanden.

Weltenbaum, Baum des Lebens - die Schöpfung ist fraktal
Buddha und der Bodhi-Baum
Diesen erwähnten Grundsatz findet man schon auf der antiken "Smaragdtafel", die ebenfalls der Hermetik zuzuordnen ist, und die zu einem der berühmtesten Manuskripte des Mittelalters wurde: "Das was unten ist, ist wie das, was oben ist, und das was oben ist, ist wie das was unten ist, ein ewig dauerndes Wunder des Einen" (Q).

Das Selbe erkannte man aber auch im fernen Osten:

"Eine gängige Phrase in der buddhistischen Tradition des Kalachakra ist 'so wie aussen, so auch innen', womit die Ähnlichkeiten und Korrespondenz zwischen Mensch und Kosmos betont wird." (Q)

Thomas-Evangelium
Wenn das alles ein "Wunder des Einen" sein soll, warum haben wir diese Einheitserfahrung dann eigentlich nicht? Natürlich wegen unserer dualistischen Wahrnehmung! Diese muss fallen gelassen werden, wie auch Jesus sagte (Thomas-Evangelium): "Wenn das äussere zum inneren wird und das obere wie das untere, dann wird die Welt Frieden finden." (Q)

Den Menschen und die Gesamtheit der Existenz (=Gott) als gegenseitige Abbilder zu betrachten ist tief in der Mythologie verwurzelt, wie man hier im Fall der indo-iranischen Kosmologie liest:
"In der Symbolik von Mikrokosmos und Makrokosmos verkörpert der einzelne Mensch die Welt im Kleinen, und die gesamte Welt ist nur ein riesiger Mensch." (Q)  
Wir wissen ja dass Gott leider oft allzu vermenschlicht wird. In manchen Fällen könnte das allerdings auf dem Verständnis beruhen, dass der Mensch naturgemäß - nämlich aufgrund der fraktalen Natur des Seins - ein verkleinertes Abbild des Ganzen ist, und umgekehrt.

Der "Fall von Eden" war möglicherweise ein Punkt, an dem sich unser Dasein auf fraktale Weise von einer Stufe auf eine niedrigere verringerte, wie es auch hier heisst:
"Die biblische Geschichte von Adam und Eva wird als der Fall der Seelen in die Materie interpretiert. Der Fall hat eine fraktale Qualität - jede Seele manifestiert das dynamische Lichtmuster des uranfänglichen Adam." (Q
Im Judentum gibt es einen eigenen Begriff für die höhere menschliche "Blaupause": Adam Quadmon. Quadmon heißt oben, es ist also "der Mensch oben", der sich im irdischen Menschen 3-dimensional wiederspiegelt. Die Übereinstimmung ist hier also schon in der Terminologie leicht ersichtlich. Auf ähnliche Weise ist der Heilige ein Abbild des Heiligen Geistes, der Brahmane Abbild des unendlichen Brahman, so wie ein Buddha als Reflexion des transzendenten "Adibuddha" gesehen wird, und wie der Mystiker des Dao ein  Abbild des unendlichen Dao sein will.
Erleuchtung ist jene Form von "Göttlichkeit", die wir hier als Mensch erreichen können, als ein fraktales Abbild des Ganzen, womit derjenige Gott und Mensch zugleich ist.

Die "Wesensgleichheit"

Wenn es um die Selbstähnlichkeit in der Schöpfung geht, dann stößt man auch auf den im Christentum so oft beschworenen Begriff der "Wesensgleichheit". Damit meinen Theologen die Wesensgleichheit zwischen Jesus und Gott. Was aber diese "gescheiten" Leute nicht verstehen: es gibt NICHTS, was nicht wesensgleich wäre, weil alles aus der selben Quelle stammt.

Das ist bei "geistigen" Schöpfungen zwingenderweise so: nehmen wir die Analogie von einem Schüler und seinem Schulaufsatz. Beides ist wesensgleich. Warum? Weil der Aufsatz lediglich aus den Gedanken des Schülers besteht, genauso aber die Psyche des Schüler. Zwischen beidem besteht nicht wirklich eine Trennung, nur dass das Schularbeitenheft einige "manifestierte" Gedanken sind. In gleicher Weise ist alles was existiert wesensgleich dem Ganzen.

Für mich sind die Hinweise überwältigend, dass in den Religionen die Schöpfung als fraktales System beschrieben wird - auch wenn sie natürlich den Begriff nicht verwenden.

Im nächsten Teil gibt es mehr zu dem Thema !

10 große Kritikpunkte an der Bibel, die in verschollenen Evangelien aufgeklärt werden

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Es gibt ja viele allseits bekannte Kritikpunkte an der Bibel. Warum ist Yahweh so eifersüchtig? Warum ist er überhaupt ein "Mann"? Und dann erst die unrealistische Geschichte der Arche Noah, und die noch unrealistischere "jungfräuliche" Geburt Jesu. Und warum fehlt im Christentum die Reinkarnation? Tatsächlich werden diese und noch mehr Punkte allesamt in den frühchristlichen Schriften aufgeklärt, wie ich hier zeigen werde!

Wie das möglich ist? Nun, ich spreche hier von jenen Schriften, die damals, als man die Bibel zusammenstellte, unter den Tisch fielen. Diese Auswahl, die erst Jahrhunderte nach Jesu Tod stattfand, wurde auf haarsträubende weise begründet: "So wie es 4 Winde und 4 Himmelsrichtungen gibt, so muss es 4 Evangelien geben", so der Bischof Irenäus. Forscher wissen heute, dass es viel mehr Evangelien  gab, die die Amtskirche so weit wie möglich verbrennen liess, samt den Ketzern, die sie lasen. Allen Widerständen zum Trotz sind vor nicht langer Zeit in einem kleinen Ort in Ägypten doch wieder Exemplare aufgetaucht - die Schriften von Nag Hammadi!

Also Punkt für Punkt:

1. Ist Gott männlich?

Natürlich nicht. Die kirchlichen Machthaber haben die patriarchale Gesellschaft aber leider auf die Religion übertragen. Was sagen die frühchristlichen Schriften dazu, die man verschwinden liess? Statt dem "männlichen" Schöpfergott ist hier vom "Mutter-Vater" die Rede, und auch von einem "Mutterschoß des Alls, denn sie ist die, die vor allen ist". Z.B:
"Der Mutter-Vater, der reich an Erbarmen ist, der Heilige Geist in jeder Gestalt"
Und der Herausgeber fasst in einem Kommentar zusammen:
Der mannweibliche, unbekannte, unnennbare und unfassbare Gott, der Vorvater, ist vor allem. Aus ihm geht alles Entstandene wie aus einer Quelle hervor."
Es ist zwar oft vom "Vater" die Rede, es ist aber ein Ausdruck für die transzendente Einheit, aus der sowohl das weibliche wie männliche Prinzip erst hervorgehen. Der Ausdruck "mannweiblich" wird in den Nag Hammadhi-Schriften auffallend oft verwendet, und auf alle möglichen Gottheiten und Engel aller Schöpfungsebenen angewendet, hinunter bis zur gewöhnlichen Seele, die ebenso als "mannweiblich von Gestalt" beschrieben wird.

Es wird dadurch deutlich, dass unser herkömmliches Verständnis von "männlich" und "weiblich" lediglich auf unsere Menschenwelt anwendbar ist. Nichtsdestotrotz liessen es sich die Machthaber nicht nehmen, die Religion für ihr patriarchales Weltbild zu missbrauchen.

2. Warum ist Yahweh so ein neidischer und eifersüchtiger Gott?

Die Antwort ist laut dem Apokryphon des Johannes eindeutig: weil dieser "Gott" nicht wirklich Gott ist. Die Wesenheit wird hingegen als nicht mehr als das Resultat einer "mangelhaften Hervorbringung" aus höheren Ebenen bezeichnet, d.h. als ein unvollkommener, niedriger "Archon", der zwar mächtig ist, aber schon selbst den Ursprung seiner Existenz nicht erkennt, und sich aus Unwissenheit als Gott bezeichnete, was in den Schriften scharf verurteilt wird (bitte beachten, dass die Klammern in all den Zitaten nicht von mir, sondern vom Herausgeber sind):
Apokryphon des Johannes
Apokryphon des
Johannes 
Und er ist frevelhaft in seiner Unwissenheit, die in ihm ist. Denn er sagte: "Ich bin Gott, und es gibt keinen anderen Gott neben mir. Er war nämlich unwissend über seine Stärke, den Ort, von dem er gekommen ist. ... Wegen der Kraft der Herrlichkeit besaß er das Licht seiner Mutter; deswegen nannte er sich selbst "Gott". Er war aber nicht gehorsam gegenüber dem Ort, von dem er gekommen ist.

Und als er die Schöpfung, die ihn umgibt, sah und die Menge der Engel, die ihn umgeben (und) die aus ihm entstanden waren, sagte er zu ihnen: "Ich bin ein neidischer Gott, und es gibt keinen Gott neben mir." Aber (gerade) weil  er dieses verkündet, zeigte er den Engeln, daß ein anderer Gott existiert. Denn wenn dort kein anderer wäre, auf wen sollte er (dann) eifersüchtig sein?
Es wird deutlich gemacht, dass die Propheten des alten Testaments nicht DEN allumfassenden Gott "an der Leitung" hatten. Wie alt ist das zitierte Apokryphon des Johannes? Belegt ist, dass es Bischof Irenäus im 2. Jahrhundert auf die Palme brachte, weil ihm offenbar nicht schmeckte was er las...

3. Baute Noah tatsächlich eine gewaltige Arche?

Laut dem Apokryphon des Johannes nein. Explizit wird auch hier das alte Testament "korrigiert":
Es ist nicht, wie Moses gesagt hat: "Sie verbargen sich in einer Arche" , sondern sie verbargen sich an einem Ort, nicht nur Noah, sondern ebenso viele andere Menschen von dem nichtwankenden Geschlecht.
Nag Hammadi
Die frühchristlichen Schriften
gefunden in Nag Hammadi
Wohlgemerkt, wieder ist nicht etwa "Gott" der Verursacher der Flut, sondern der schon genannte niedere "Demiurg". Das "göttliche Licht" ist es hingegen, das Noah warnt, wobei davon die Rede ist, dass sich die Menschen in einer "Lichtwolke" verbargen. Das scheint zwar auch nicht glaubhafter als ein überdimensionales Boot, es wird aber deutlich, dass die Methode der Flucht nicht entscheidend ist. Entscheidend ist der Zugang zu höherer Inspiration, das metaphorische Licht, das zum Überleben führt.

Mich erinnert das ja an Erzählungen, in denen jemand in letzter Sekunde die Eingebung hat, den Flug zu stornieren, bevor das Flugzeug dann abstürzt. Der Flutmythos hat natürlich eine viel größere Dimension, denn er scheint allgegenwärtig zu sein: er ist auch im Hinduismus, in der skandinavischen Mythologie und etwa bei den Indianern Nordamerikas zu finden (dazu aber vielleicht in einem anderen Artikel mehr...)

4. Wurde die Frau aus der Rippe des Mannes erschaffen?

Nein, auch hier verhält es sich anders. Eva wird zwar aus Adam erschaffen, aber mit diesem "Adam" ist nicht etwa ein Mann, sondern explizit der noch geschlechtslose (oder 2-geschlechtliche) Seinszustand gemeint. Der Mythos beschreibt also nicht das Entstehen des Weiblichen aus dem Männlichen, sondern vielmehr das Entstehen beider Geschlechter aus einem nicht-dualen Zustand.

Aber beginnen wir von vorn: Nach geläufiger Überlieferung heisst es ja, dass Gott Adam in einen Schlaf versetzte, als er aus ihm Eva erschuf (man denkt fast an eine Narkose). Jesus erläutert das dahingehend, dass hier natürlich kein buchstäblicher Schlaf, sondern der "spirituelle Schlaf" der Menschheit gemeint ist, womit schon hier der Fall von Eden eingeläutet wird:
Und ich sagte zu dem Erlöser: ,,Was ist das Vergessen?‘‘ Und er sagte: ,,Es ist nicht, wie Moses schrieb und du gehört hast. Denn er sagte in seinem ersten Buch: ,Er brachte ihn in den Schlaf.‘ Vielmehr (war es nur) in seinen Wahrnehmungen, (daß er schlief). Denn er sagte durch den Propheten: ,Ich werde ihre Herzen schwer machen, damit sie nicht aufmerksam sind und nicht sehen.‘ Darauf versteckte sich die Epinoia des Lichtes in Adam.
Diese "Verringerung des Lichtes" (Bewusstseins), die "Blindheit" und der "Schlaf", dem wir nach wie vor unterliegen, sind alles bekannte Metaphern für den Menschen, der die göttliche Verbindung verloren hat, was z.B. in der Heilung des Blinden und Aussprüchen wie "Erwachet!" wieder aufgegriffen wird.

Wie ist es jetzt mit der Rippe? Weiter im Text:
Und er brachte einen Teil, den er von der Kraft des Menschen genommen hatte, in das Gebilde der Weiblichkeit, und nicht, wie Mose gesagt hat, "seine Rippe"
Das Wort Rippe ersetzt "Jesus" hier also mit dem allgemein gehaltenen Begriff "Kraft", welche jetzt in feminine sowie maskuline Eigenschaften geteilt wird, womit jedes Wesen nur mit "halber spiritueller Kraft" ausgestattet ist. Weiter im Zitat:
Und Adam sah die Frau neben sich. Und in diesem Augenblick trat nun die Licht-Epinoia in Erscheinung, und sie deckte den Schleier, der über seinem Verstand lag, auf.
Hier wird die beschriebene äußere Spaltung direkt mit einer inneren Spaltung in Zusammenhang gebracht, denn um diese geht es ja im darauf folgenden Mythos vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse, in dem der duale Verstand des Menschen erwacht, der lediglich anhand von Gegensatzpaaren arbeitet.

Diese beiden Mythen über die körperliche sowie geistige Spaltung ergänzen sich. Die enge Verbundenheit zeigt sich etwa daran, dass es bekannterweise heißt, dass das Essen vom Baum der Beginn der Sterblichkeit ist. Das selbe liest man im "Rippen-Mythos". Diesmal aus dem Philippus-Evangelium:
Als Eva noch in Adam war, gab es keinen Tod. Als sie von ihm getrennt wurde, entstand der Tod. Wenn sie wiederum [hineingeht], wird kein Tod mehr sein.
"Dualität aus der Einheit" ist das zentrale Thema, es geht aber nicht um eine Vorrangstellung eines Geschlechts.

5. Warum sollte Gott den Menschen aus dem Paradies vertreiben?

Nachdem Yahweh also ohnehin schon so ein schlechtes Image hat, jetzt also auch noch die "Vertreibung"! Warum ist der Mensch so weit "entfernt" von Gott und so "unvollkommen"?

Auch hier liefern die Schriften eine höhere, anspruchsvollere Sichtweise abseits von "Sünde" und dem "Groll Gottes". So heisst es über den "Unbegreifbaren, Undenkbaren":
Obwohl er seine Vollkommenheit in sich zurückgehalten hatte, ist der Vater nicht neidisch. Denn wenn das Hervorgegangene seine [Vollkommenheit empfangen] hätte, hätten sie es nicht vermocht zu kommen [...] zum Vater. Er hält in sich selbst ihre Vollkommenheit zurück, indem er sie ihnen gibt als eine Rückkehr(-Möglichkeit) zu ihm. Wie jemand, über den einige unwissend sind, wollte er, daß sie ihn erkennen und ihn lieben - so wurde er ein Wegweiser, ruhig und ausdauernd.
Erst wenn wir uns entfernen, können wir auch wieder zurückkehren. Das klingt zwar wie eine Binsenweisheit, dieses Spiel aus Vergessen und Wiedererkennen, Verlassen und Rückkehr in die Einheit ist aber in allen Religionen zentrales Element des Schöpfungszyklus. Im Hinduismus ist es schön als Aus- und Einatembewegung Gottes beschrieben, und auch als Bienen, die den Bienenstock verlassen um schliesslich zurückzukehren. Im Christentum hingegen wurde gerade die erste Hälfte des Zyklus leider extrem negativ gewertet: sie beginnt mit dem Mythos vom Fall des Erzengels Luzifer und zieht sich weiter bis zum Fall des Menschen, bis Jesus wieder die Rückkehr einläutet.

Auf jeden Fall wird ein System beschrieben, das zwischen Einheit und Vielheit pendelt. Womit wir bei der nächsten großen Frage sind:

6. Warum gibt es im Christentum keinen sich immer wiederholenden Schöpfungszyklus?

Aus östlichen Religionen wie dem Hinduismus ist bekannt, dass sich dieser beschriebene Zyklus aus Hervorgehen und Zurückkehren unzählige Male wiederholt, immer und immer wieder. Im Christentum hört man davon aber nichts, so als gäbe es nur einen einzigen Durchgang.... und dann?? Ist dann alles für Ewig auf Eis gelegt? Auch hier ergibt das "herkömmliche" Christentum wenig Sinn.

Aber auch dazu gibt Jesus in den verlorenen Schriften eine seiner bekannten Analogien, die in dem Fall viel näher an den östlichen Lehren ist - diesmal aus dem Brief des Jakobus. Hier vergleicht er die Schöpfung mit einem Feld, das im Jahreszyklus immer wieder Frucht (Leben) hervorbringt. Das legt nahe, dass auch die Schöpfung - na was wohl - ein sich wiederholender Zyklus ist:
Denn das Himmelreich gleicht einer Ähre, die auf einem Felde wuchs. Und als sie reif war, streute sie ihre Frucht aus und füllte wiederum das Feld mit Ähren für ein weiteres Jahr
Das führt uns direkt zu einem andern, kleineren Zyklus, dem Inkarnationszyklus. Gab es im Christentum die Reinkarnationslehre? Wo ist sie hinverschwunden?

7. Gibt es im Christentum keine Reinkarnationslehre?

Wie Wikipedia schreibt, spricht Jesus in einem Dialog mit Johannes sehrwohl über die "Bedingungen und Verhältnisse der Reinkarnationsfolge". Im Originaltext fragt Johannes:
"Herr, die Seelen derer, wenn sie herausgekommen sind aus ihrem Fleisch, wohin werden sie gehen?"
Zuerst behandelt Jesus, was geschieht, wenn jemand noch nicht aus der "Vergessenheit erwacht" ist:
Und er sagte zu mir: ,,In jenen ist der verachtete Geist stark geworden, und er beschwert die Seele und zieht sie zu den Werken der Schlechtigkeit und wirft sie hinab in ein Vergessen.

Und nachdem sie (aus dem Körper) herausgekommen war, wurde sie den Mächten übergeben, die durch den Archon entstanden sind; und sie binden sie mit Fesseln und werfen sie ins Gefängnis und begleiten sie, bis sie aus dem Vergessen erwacht und die Erkenntnis empfängt. Und wenn sie auf diese Art vollkommen wird, ist sie gerettet.
Mit "Gefängnis" ist (wie bei den Gnostikern üblich) das körperliche Leben gemeint, an das man gebunden ist bis man ausreichend aus dem "Schlaf" erwacht ist. Die Ähnlichkeit mit dem "Ausbrechen aus dem Rad der Wiedergeburt" in den östlichen Religionen wird hier mehr als deutlich.

Und über eine solche Seele die diese Reife erreicht hat heisst es: 
Diese ist gerettet durch ihn. Sie ist nicht wieder in anderes Fleisch geworfen.
Für andere Seelen gilt das offenbar schon.

Was soll man davon halten? Für das heutige Christentum ist es typisch, dass es sich lediglich auf einen Durchgang des Zyklus beschränkt: nur EIN Leben, und nur EINE Rückkehr zur Einheit. Erst dadurch kann es eine "ewige Hölle" geben, und weil man nur eine Chance hat alles richtig zu machen, kann man die Menschen besonders gut kontrollieren. Im Hinduismus ist es genau anders: weil die Menschen "alle Zeit der Welt" haben, nehmen sie ihr Leben fast schon zu locker (Osho etwa kritisierte die Lethargie der indischen Kultur).
Und weil es im Christentum nur um einen Schöpfungsvorgang geht, erscheint der Schöpfergott umso wichtiger und mächtiger. Wollte die Kirche das Gewicht der Religion so künstlich in die Höhe treiben?

Man kann trotzdem nicht sagen, dass das eine richtig und das andere falsch wäre. Hier eine Analogie: es ist so als würden die Physiker feststellen, dass sich der Urknall unzählige Male wiederholt, sodass es viele Universen gibt (solche Theorien gibt es ja längst), und als würde dann ein Physiker trotzdem ein Buch schreiben in dem er diese Tatsache vernachlässigt, weil er es wichtiger findet, sich auf unser Universum zu konzentriert. Das ist nicht falsch, sondern einfach eine Frage des Fokus. Auch Religionen legen ihren Fokus in mancher Hinsicht unterschiedlich.

Wenn jetzt jemand fragt, warum es im Christentum keine Reinkarnation gibt, dann ist das sehr zynisch, wenn man bedenkt dass die entsprechenden Überlieferungen und jene Christen, die daran glaubten, massenhaft von der Inquisition verbrannt wurden, wie etwa die Katharer.

8. Gab es die jungfräuliche Geburt?

Es ist ja heute bekannt, dass vermutlich eigentlich von einer "jungen Frau" die Rede war, und nicht von einer Jungfrau. Und schon im "Philippusevangelium" (zu sehen im Bild) wird die Bedeutung der "unbefleckten Empfängnis" ganz anders erläutert:
Philippusevangeliums Einige sagten: "Maria ist vom heiligen Geist schwanger geworden." Sie sind im Irrtum. Sie wissen nicht, was sie sagen. Maria ist die Jungfrau, die keine Macht befleckte. ...

Und der Herr [hätte] nicht gesagt: "Mein [Vater, der im] Himmel ist", wenn [er] nicht noch einen anderen Vater gehabt hätte, sondern er hätte einfach gesagt: "[Mein Vater]!"
Nichts anderes drückt eigentlich auch dieses Zitat des späteren Papstes Joseph Ratzinger von 1964 aus: „Die Gottessohnschaft Jesu beruht nach kirchlichem Glauben nicht darauf, daß Jesus keinen menschlichen Vater hatte; die Lehre vom Gottsein Jesu würde nicht angetastet, wenn Jesus aus einer normalen menschlichen Ehe hervorgegangen wäre. Denn die Gottessohnschaft ist kein biologisches, sondern ein ontologisches Faktum."

Missverständnisse sind ja vorprogrammiert: einerseits haben wir die biologische Herkunft des Körpers, und andererseits die Herkunft der Seele aus höheren Realitätsebenen. In beiden Fällen ist vom "Vater" die Rede, im einen Fall natürlich metaphorisch. Es ist auch wohlbekannt, dass unter frühen Christen als "wahre Hochzeit" die Verbindung des menschlichen Bewusstseins mit dem höheren Bewusstsein gesehen wurde, was als "unbefleckte Hochzeit" umschrieben ist. Trotzdem wurde noch 1987 einer Theologin in einem Aufsehen erregenden Fall die Lehrerlaubnis entzogen, weil sie die Jungfrauengeburt ablehnte...

Wie auch immer, wenn jemand heute dieses Dogma kritisiert, braucht er nicht zu glauben das wäre eine großartige Leistung oder eine originelle Idee, denn er ist ja 1.800 Jahre zu spät. So alt ist etwa die gefundene Version des Philippusevangeliums.

9. Waren Frauen für Jesus untergeordnet?

Und eine zweite Frage: War Jesus ein asexueller Asket? Das ist natürlich ein beliebtes, oft diskutiertes Thema. Denn aus dem Philippusevangelium erfährt man Spannendes:
Und die Gefährtin von [Christus] ist Maria Magdalena. Der [Herr liebte] sie mehr als [alle] (anderen) Jünger, und er küsste sie [oftmals] auf ihren [Mund]. Die übrigen [Jünger  ...], sie sagten zu ihm: ,,Weshalb liebst du sie mehr als uns alle?‘‘ Es antwortete der Erlöser: "Weshalb liebe ich euch nicht (so) wie sie?"
Eine ziemlich abgebrühte Antwort! Diese Schriften sind dafür berühmt, dass Maria Magdalena als Lieblingsjüngerin dargestellt ist. Das wollten manche Machthaber wohl nicht haben. Denn wer weiss, was das für die Stellung der Frauen in der Kirche bedeutet hätte... Gratulation, jetzt ist die Kirche ein sonderbarer Männerklub... 

10. Wenn Jesus für die Menschen starb, warum wird Judas verurteilt?

Das ist eines der wichtigsten Themen: die vermeintliche Täterrolle von Judas. Denn dabei gibt es offensichtliche Unstimmigkeiten, die man an 2 hypothetischen Szenarien verdeutlichen kann:

Einerseits könnte man es so sehen, dass Jesus in einem göttlichen Plan für die Erlösung der Menschen starb, dass "Gott die Menschen so sehr liebte, dass er seinen einzigen Sohn gab", wie es heißt. Dabei muss man anerkennen, dass das nur möglich ist, wenn auch jemand die unangenehme Täterrolle übernimmt.

Andererseits könnte man es so sehen, dass Jesus gerne weiter gewirkt hätte, dass in seinem Leben also etwas schief lief, dass sein vorzeitiger Tod gegen den "Willen Gottes" geschah, und man könnte Judas somit aufs Schärfste verurteilen.

Wie man schnell merkt, sieht die Realität aber so aus, dass beides vermischt wird. Einerseits sieht man die Kreuzigung als DAS zentrale Element der Religion, wobei die "Passion Christi" mit geradezu perverser Faszination verherrlicht wird, gleichzeitig will man nicht auf ein primitives Opfer-/Täterdenken verzichten, wobei man wie in einem Hollywoodfilm einen Bösewicht braucht, der sämtlichen Hass abbekommt, mit sehr realen, lange nachwirkenden Folgen (Judenverfolgung bis hin zu Holocaust).

Judasevangelium
Judasevangelium
Nichts von diesen Problemen hätte gemäß den verschollenen Schriften je existiert. Im 1976 wiedergefundenen Judasevangelium wird in einem vertraulichen Dialog zwischen Jesus und Judas nicht nur vermittelt, dass Judas von allen Aposteln Jesus am besten verstand (er sei "im Geist am stärksten"), sondern dass er den Verrat in seinem Sinne ausführte ("du wirst sie alle übertreffen; denn du wirst den Mann opfern, der mich kleidet."), und Jesus schickt gleich voraus, dass Judas dafür "großes Leid erfahren würde". Dieser Dialog ist keine Anklage gegen Judas, sondern spricht von seiner "höheren Bestimmung".

Noch viel gäbe es zu dem schwierigen Thema zu sagen, etwa, dass die Idee, man könnte durch einen brutalen Tod die Sünden anderer Menschen bereinigen, ohnehin wenig Sinn ergibt.

Hier ein Bericht zum Fund des Judasevangeliums (National Geographic): Seite 1Seite 2

Fazit - warum wollte man diese Schriften vernichten?

Es steht zwar sicher auch in den Nag Hammadi-Schriften viel Unsinniges. Aber es ist trotzdem verblüffend, mit welcher  Regelmäßigkeit sie gereade bei den größten Unstimmigkeiten die tiefergehenden und schlüssigeren Inhalte liefern. Warum konnten sie sich trotzdem nicht durchsetzen?

Einerseits ist es natürlich so, dass sich das Einfachere und Sensationalistischere immer gegen das Anspruchsvollere durchsetzt. Das tiefere Wissen lag schon immer bei den Mystikern, die verstanden, dass sich Wahrheit nicht organisieren lässt. Und weil Gruppierungen wie die Gnostiker nicht an Organisation und Macht interessiert waren, waren sie dem Untergang geweiht. Wir wissen ja: Geschichte wird von den Siegern geschrieben. Was aber viele nicht beachten: das selbe gilt für die Bibel. In den ersten Jahrhunderten entstanden verschiedene christliche Strömungen, aber es setzten sich jene durch, die am wenigsten Skrupel hatten, andersdenkende "Ketzer" zu verfolgen. Das waren aber nicht unbedingt die Weiseren und Klügeren - die geben bekanntlich nach.

Es sind interessante Sticheleien von damals überliefert. Die Gnostiker warfen den Bischöfen der Amtskirche vor, sie seien wie "wasserlose Kanäle", womit sie natürlich meinten, sie hätten keinerlei spirituelle Verbindung, keine spirituelle Ader. Man kann das heute noch gut nachvollziehen. Es sind Politiker, Verwalter von Theorie. Die Gnostiker hingegen waren überzeugt, dass keine Mittelsmänner in Roben nötig sind, um das Mysterium des Seins zu ergründen. Hätte die Kirche mehr von ihren Ansichten integriert, anstatt sich an eine lächerliche "maximal 4 Evangelien"-Regel zu halten, würde das Christentum heute ganz anders aussehen.

Der Weltenbaum Teil 13: der mysteriöse Torus

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Zum Thema der Fraktale möchte ich hier noch ein Beispiel geben. Eine bestimmte Form ist nämlich universell anzutreffen und repräsentiert ein wichtiges Prinzip: die Apfelform links im Bild - oder wissenschaftlicher gesagt, der Torus. Auf welchen Ebenen er anzutreffen ist, und was das mit dem Weltenbaum zu tun, hat, zeige ich hier:



Wenn man in der kleinsten Größenordnung anfangen, dann findet man die Torusform im Atom wie man links unten sieht (zumindest laut der Quelle des Bildes). Rechts zu sehen ist das Erdmagnetfeld, das jeder kennt. Das selbe gilt aber auch für Sterne.

ein Wasserstoffatom (Q)
Magnetfeld der Erde











Wenn man jetzt weiter herauszoomt, findet man die Form in der sogenanntenen Oortschen Wolke aus Partikeln und Kometen, die unser Sonnensystem umhüllt - Bild links unten.

Richtig spannend wird es, wenn es um die größtmögliche Form geht, die wir wissenschaftlich untersuchen können: unser ganzes Universum - Bild rechts. Ich kann mich an ein channeling erinnern, in dem es tatsächlich hieß, das Universum würde aussehen wie ein Apfel. Ich konnte damit absolut nichts anfangen, da hatte ich aber auch noch nicht von der Torusform gehört.


das "Donut-Modell"
des Universums
torusförmige Oortsche Wolke umhüllt
unser Sonnensystem (Querschnitt)













In den 1960er Jahren wurden die ersten Theorien zur Form des Universums aufgestellt, und 1984 folgte die Theorie des torusförmigen Universums - passenderweise auch Donut-Modell genannt - gestützt durch Satellitendaten.

Soweit beruht das alles auf mehr oder weniger solider Grundlage. Diese wiederkehrende Form blieb aber auch in "alternativen" Kreisen nicht unbemerkt, wo man den Torus noch in weiteren Ebenen und Objekten ausmachte, darunter zum Beispiel der Mensch, das Herz, dann, passend zu meiner Artikelreihe der Baum, und unsere Galaxie. Das Ganze wurde nicht zuletzt im Film "Thrive" (hier auf youtube) populär gemacht. Klickt euch dazu einfach durch die Bildergalerie:
Was hat das alles jetzt mit dem Weltenbaum zu tun, dem archetypischen Symbol der Schöpfung? Legen wir also noch einen drauf, denn selten geht jemand in der Diskussion über das physische Universum hinaus. Aber wenn man sich den "keltischen Weltenbaum" anschaut (den wir ja hier behandelt haben), ist auch er nichts anderes als ein Torus, man muss ihn sich nur drei-dimensional vorstellen.
keltischer Weltenbaum

Energiefluss im Torus





In der künstlerischen Darstellung links kommt die 3-dimensionalität ganz gut zum Ausdruck.

Den "endlos verschlungenen" keltischen Weltenbaum kann man als eine Veschmelzung des gewöhnlichen Weltenbaumes mit dem "keltischen Knoten" (Unendlichkeit) sehen, beides alte Symbole die bis 2.000 Jahre vor Christus zurückreichen. Man denkt dabei ja nicht unbedingt an Physik, und doch sind diese Prinzipien in ihnen schon vorweggenommen... es zeigt das Ausströmen aus dem Ursprung, die Entfaltung und Verteilung, und schliesslich die Rückkehr zum Ursprung.

Wenn ihr euch für Fraktale interessiert, dann kann ich nur noch einmal meinen Artikel über die Blüten- oder Kelchform nahelegen, die ebenso auf allen erdenklichen Größenordnungen zu finden ist, mit dem schönen Titel: Wie in den Veden das Universum entsteht - Universen, die Chakren Gottes?  Der obere Teil des Torus ja nichts anderes als dieser "Kelch".
Und hier mein "Ratequiz", in dem man Diagramme des Sonnensystems und des Atoms unterscheiden soll - schwieriger als man denkt!

Enträtselt: der Geist Gottes über dem Wasser, und Jesus der übers Wasser geht - die wahre Bedeutung

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Es gibt mythologische Symbole deren Bedeutung seltsam und unerklärlich scheinen, wie zum Beispiel in der Genesis. Und es gibt Erzählungen im neuen Testament, bei denen man nicht weiss, ob man an ein Wunder oder eine Metapher glauben soll, oder an beides. Heute will ich einem der größten Rätsel der Bibel auf den Grund gehen anhand von 2 Beispielen, die mehr miteinander zu tun haben als man glaubt: der "Geist Gottes, der über dem Wasser schwebt" und Jesus der übers Wasser geht.

Der göttliche Geist der auf dem Wasser schwebt

Beginnen wir bei der Schöpfungsgeschichte, als am Anfang noch NICHTS existierte. Es war das "Tohuwabohu" wie es auf hebräisch heisst, auf deutsch "wüst und leer", der Zustand, noch bevor das göttliche Bewusstseinüberhaupt erwacht war - das sieht man schon daran, dass Tohuwabohu eine - Zitat - "geistige Leere (also Mangel an denkenden Wesen)" (Q) bezeichnet. Es ist ein Zustand über den auch die Platoniker aussagten, dass man ihn nicht einmal "Sein" nennen kann. Diese Undefinierbarkeit ist es wohl auch, die durch den Begriff "Chaos" zum Ausdruck gebracht werden soll, mit dem Tohuwabohu ebenfalls manchmal übersetzt wird - eine wunderbare Übereinstimmung mit der griechischen Kosmogonie, die auch mit dem "Chaos" beginnt. Doch jetzt das Entscheidende:

Symbol für Gott als auch
für die menschliche Psyche
Denn plötzlich geschieht in diesem undefinierbaren Alles/Nichts die allererste Teilung in "Gott" und "Wasser". Ein Ego ist erwacht - Bewusstsein (Yahweh bedeutet "Ich bin")! Erst dadurch gibt es ein Ich und ein Nicht-Ich, ein Innen und Aussen, Subjekt und Objekt. Ohne diese Teilung existiert kein Bewusstsein, wie C. G. Jung ausführlich erläuterte, und er symbolisierte das anhand eines Punktes in einem Kreis - Bewusstseinszentrum und Peripherie (siehe dieser Wikipedia-Artikel). Es ist das selbe Symbol, das schon die griechischen Philosophen benutzten, um das erste Metaphysische Sein zu symbolisieren (siehe hier).

Gott ist nun von "Wasser" umgeben. Warum für das "Objekt" das Symbol des Wassers gewählt wurde hat 2 Gründe:

Das Wasser als metaphorischer Rohstoff der Schöpfung

Zum einen ist es so, dass das Wasser den metaphorischen "Rohstoff" bildet, aus dem die Schöpfung hervorgebracht wird, so als hätte man ein Stück Plastilin vor sich, oder so wie aus der "Ursuppe" der Kosmos entsteht. Um das zu verstehen, muss man nur sich selbst beobachten, denn genau die selben Prinzipien gelten in uns. Das "Material" unserer Kreativität sind unsere Ideen, Gedanken, Imaginationen, Träume und Visionen, die vor unserem geistigen Auge erscheinen. Unser Bewusstsein besteht aus der Fähigkeit, wie ein Projektor (unser Seinszentrum) Gedanken auf die Leinwand unseres Geistes (dem Kreis) zu projizieren. Dass uns unsere eigenen Gedanken dabei wie Objekte erscheinen, darüber habe ich hier ausführlich geschrieben! Eines muss man dabei beachten:

Auch das "Wasser" ist natürlich Bewusstsein!

Es gibt nämlich eine unsinnige Debatte darüber, ob Gott die Schöpfung aus dem Nichts ("ex nihilo"), oder aus irgendeinem "Material" erschuf. Das geht so weit, dass behauptet wird,  Religionen müssten allesamt falsch sein angesichts solcher "unüberbrückbarer" Widersprüche. Das beruht auf einem mangelnden Verständnis. Denn beide Auffassungen sind das selbe, weil auch das "Material" Bewusstsein ist! So wie auch unsere Ideen Teil unserer Psyche sind. D.h., auch das Wasser ist der "heilige Geist" - und somit haben wir hier diese 2 Elemente der christlichen Trinität erklärt: der "persönliche" Gott und der "heilige Geist", der traditionell als Wasser symbolisiert wird, das sich "ergiesst" und die Schöpfung bildet (symbolisiert etwa in der Taufe etc., siehe dieser Artikel). Und zweitens:

2. Das Wasser symbolisiert Selbstreflexion

Quelle
Die zweite entscheidende Eigenschaft des Wassers, die es zu so einem passenden Symbol macht, ist die Reflexion. Gott blickt hinab auf das Wasser und kann sich durch diese 2-Teilung selbst wie in einem Spiegel erkennen - Selbsterkenntnis!

Dass das die korrekte Leseart der Symbolik ist, wird in den Schriften von Nag Hammadi explizit bestätigt, das sind frühchristliche Schriften, die auf sensationelle Weise in Ägypten wiedergefunden wurden. In dem folgenden Zitat das ich zeige wird ausserdem bestätigt, dass noch vor dem "Vater", wie oben erklärt, der undefinierbare Zustand steht, der hier "Vorvater" genannt wird. Somit ist auch dieser Zustand, der im Christentum ja oft wenig beachtet wird, noch einmal konkret benannt, und er entspricht dem hinduistischen "Brahman", aus dem die hinduistische Trinität ("Trimurti") entspringt. Wer meint die Religionen würden sich widersprechen, irrt sich. Das Zitat (Klammern vom Herausgebern):
Der Herr des Alls wird in Wahrheit nicht Vater, sondern Vorvater genannt. Der Vater ist nämlich der Anfang dessen, was offenbar ist. Denn jener ist der [anfangslose] Vorvater

Er sieht sich selbst in sich selbst wie (in) ein(em) Spiegel, als er in Erscheinung trat in seinem Ebenbild als Selbst-Vater, das heißt: Selbst-Erzeuger, und als Gegenüberstehender, indem er dem ungezeugten Erst-Existierenden gegenüberstand.
Gott steht sich wie in einem Spiegel gegenüber. Diese großartige Symbolik findet sich auch im Hinduismus, wo ebenfalls Gott Vishnu "der auf dem Wasser ruht" genannt wird! (Q) Und auch hier wird das Brahman als der Zustand ohne Aussen und Innen erklärt, wie hier zu sehen ist! Und auch im japanischen Shinto steht Göttin Amaterasu im Schöpfungsmythos dem Spiegel gegenüber, der in einem Baum hängt, wie ich schon in diesem Artikel erläutert habe - eines der großartigsten mystischen Symbole die ich kenne.

Diese Selbst-Reflexionen setzen sich fort...

Gott erkennt sich im Spiegel
des Weltenbaumes (Shinto-Religion)
Das alles ist natürlich erst der Beginn des gesamten Schöpfungsprozesses, denn durch immer weitere Selbstreflexion erwachen auf weiteren Hierarchieebenen immer "kleinere" Egos innerhalb des Gesamtbewusstseins. Zur nächsten Ebene gehört im Fall des Christentums natürlich auch der "Sohn", der, wie ein Kommentar der Herausgeber der Nag Hammadi-Schriften erläutert, ebenso "durch eine Art Selbstprojektion und Selbstüberlegungentsteht"! Diese "Familienbeziehungen" sind wie in jeder Religion natürlich nur Metaphern für Bewusstseinsebenen, so wie wir Realität und Traum als 2 solche Ebenen betrachten könnten.

Dieser Prozess setzt sich über alle Ebenen (vgl. christliche "Engelshierarchie"!) fort: die so entstehende fraktale Bewusstseinsstruktur wurde in allen Kulturen als Baum symbolisiert, was ich ja in meiner großen Artikelreihe zum "Weltenbaum" ausführlich dargelegt habe. Das Ganze gleicht so gesehen einem gewaltigen Spiegelkabinett, in dem jede Seele eine bestimmte Perspektive darstellt, aus der das Allbewusstsein sich selbst erfährt. Schopenhauer sprach dabei vom "Weltauge, das aus allen erkennenden Wesen blickt".

Das alles bestätigt sich auch in diesem Zitat von Ramtha im "Weissen Buch", das ich in diesem Artikel schon erwähnte, den ich wärmstens empfehle:
"Alle Wesenheiten wurden geschaffen, als Gott, der große erhabene Gedanke, über sich selbst nachdachte. In diesem Augenblick begannst du zu sein."

Und am Ende wird der Mensch gebildet!

In den Nag Hammadi-Schriften wird nun u.a. dargestellt, wie auch den Archonten - Wesen auf "mittlerer" Schöpfungsebene - ein "Abbild" höherer Ebenen erscheint, auf dessen Basis sie auf wiederum niedrigerer Ebene ein weiteres kleineres Abbild hervorbringen:  
Die Unvergänglichkeit blickte herab auf die Regionen des Wassers. Ihr Abbild erschien auf den Wassern. Die Archonten berieten sich. Sie sagten: ,,Kommt, laßt uns einen Menschen schaffen``....Sie nahmen [Staub] von der Erde. Sie bildeten [ihren Menschen] nach ihrem Körper und nach [dem Bild] des Gottes, das sich [ihnen] in den Wassern gezeigt hatte.
So wird wunderbar die kettenartige Fragmentierung des Gesamt-Bewusstseins deutlich, das sich in immer weitere Welten "träumt".

... und vom paradiesischen zum modernen Menschen ...

Doch der so entstandene "paradiesische" Mensch erlebt noch einmal eine Reduzierung auf ein noch kleineres Ego aufgrund des Erwachens unseres modernen Verstandes, durch den auch wir wiederum die Fähigkeit zur Selbstreflexion gewonnen haben. Wir sind ein verkleinertes Abbild des Ganzen (ebenso wie unser Universum ein kleines Modell des Ganzen ist, das auch aus der undefinierbaren Einheit - Singularität - entstand!).

Hier ist der direkte Beleg für diesen Sachverhalt aus den frühchristlichen Schriften (Nag Hammadi):
"Du bist der Baum der Erkenntnis, der sich im Paradies befindet, der, von dem der erste Mensch gegessen hat, der seinen Verstand geöffnet hat."
Das ist auch dadurch evident, dass erst durch Selbstreflexion Schamgefühl entstehen kann: "sie aßen vom Baum der Erkenntnis und erkannten dass sie nackt waren" => Symbol des Feigenblattes. Und der Baum des Paradieses ist auch hier wieder das Symbol des "Weltenbaumes", der den Fragmentierungsprozess wie ein Diagramm veranschaulicht.

Ist eine Umkehr dieses Abstiegs möglich?

Selbst-Reflexion ist offenbar eine Grundlage der Schöpfung - das Problem ist nur, dass wir jetzt schon am Tiefpunkt des Schöpfungszyklus angelangt sind, und es Zeit für eine "Umkehr (Reversion)" ist, ein zentraler Begriff im Christentum. Das ist das große Thema der Spiritualität und das Ziel von Meditation, um wieder ein einheitliches, "heiliges" Bewusstsein zu erlangen. Dieses ist frei von Selbstreflexion - das klingt zwar unvorstellbar, ist aber z.B. der Grund, warum die Sonne ein göttliches Symbol ist: sie scheint einfach, beleuchtet sich aber nicht selbst - siehe mein Artikel Ein wahrer Meister ist nicht "selbst-bewusst".

Dazu folgende Aussagen von Menschen, die das tatsächlich erreicht haben:

Erleuchtete über das Thema Selbstreflexion:

So erklärt Jiddu Krishnamurti: "selbstbezogenes Denken ist die größte Energieverschwendung", Eckhart Tolle erläutert "Ich habe keine Meinungen über mich selbst" (Q), und Osho antwortet auf die Frage, was für eine Person er sei, mit "Ich habe keine Ahnung" (Q). Sie sind offenbar keine Fans von Selbstreflexion. Und Eckhart erzählt wie er Erleuchtung fand: "In einem Moment größter Depression dachte ich: 'Ich kann nicht länger mit mir Selbst leben.' Da erkannte ich, dass es zwei von mir gibt, das Ich und das Selbst. In dem Moment geschah eine Transformation." Das ist die  Auflösung der Subjekt-Objekt-Spaltung, die sehr selten ist, und die J. Krishnamurti in seiner vielleicht berühmtesten Aussage beschreibt: "Der Beobachter ist das Beobachtete!" Aber schon Jesus beschieb es):
Wenn das Äussere zum Inneren wird, dann wird die Welt Frieden finden. (Thomas-Evangelium)

Wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht in das Reich der Himmel kommen! (Matthäus 18)
Das sagt er natürlich, weil sich in Kindern noch kein Ego entwickelt hat! C.G. Jung schrieb ausführlich darüber, dass Christus die Ganzheit des Selbst repräsentiert, z.B.:
Da Christus als Mensch mit dem Ego korrespondiert, und als Gott mit dem Selbst, ist er gleichzeitig Ego und Selbst, Teil und Ganzes. Empirisch gesprochen, kann Bewusstsein nie das Ganze verstehen, aber es ist wahrscheinlich, dass das Ganze unbewusst im Ego präsent ist. Das wäre gleichbedeutend mit dem höchstmöglichen Zustand von Ganzheit und Perfektion.
Jung - Beiträge zur Symbolik des Selbst

Des Orakel von Delphi
- Trance durch Selbstreflexion
Diese Erleuchtung - ein Begriff aus dem Buddhismus (Nirvana) - nennt sich im Christentum Erlösung, im Hinduismus Befreiung (Moksha). Um diesen Zustand wenigstens temporär zu erreichen, wendete man schon immer  in vielen Kulturen die "Kristallomantie" an: so starrte etwa das Orakel von Delphi in eine Schüssel mit Wasser, um so eine Trance, die Auflösung des "Ich" zu erreichen, so wie es Eckhart beschreibt - in gewissem Sinne eine exakte Nachstellung des "Geistes Gottes, der über dem Wasser schwebt". Der magische Spiegel im Märchen Schneewittchen, verschiedene Halloweenbräuche, wie auch die Verwendung von Kristallkugeln weisen alle auf diese Tradition hin - darüber habe ich schon in diesem alten Artikel geschrieben: Das Mysterium der Spiegel.

Jesus der über das Wasser geht

Dieser Mythos ist ein eindeutiger Bezug auf die Genesis, um seine "Göttlichkeit" und Schöpferkraft zu verdeutlichen. Davon handelt ja die Geschichte, in der er den Sturm beruhigt, und so die in Seenot geratenen Apostel vor dem Ertrinken rettet. Jesus wird als jemand dargestellt, der die Natur als eine Reflexion seiner Selbst erkennt, und sie somit beherrschen kann.


Wie ist das zu verstehen? Nehmen wir die Traumanalogie: im Traum finden wir uns in einer Traumlandschaft wieder, und wir kämen nicht auf die Idee, dass das wir selbst sind. Erst wenn wir aufwachen, erkennen wir, das auch die Umgebung unser Bewusstsein war. Manchen Menschen wird im Traum bewusst, dass sie träumen, und können daraufhin die Traumumgebung nach Wunsch verändern und gestalten. Was könnte geschehen, wenn dieses Prinzip tatsächlich auf unsere Realität und eine nächsthöhere Ebene anwendbar wäre?

Auf genau diese Illusion von Innen und Aussen und den traumartigen Charakter jeder Existenz weisen die hinduistischen Upanishaden hin:
Alles, was wir im Traum sehen ist unwahr
Weil alles dies nur inwendig ist.
So ist es auch im Wachen;
Der Zustand des Träumens und Wachens
Als derselbe gilt den Weisen.
Upanishaden: Die Mândûkya-Upanishad
Die Nag Hammadi-Schriften sagen dazu: "Eure Innenseite ist eure Außenseite. Und der, der euch eure Außenseite gebildet hat, ist der, der eure Innenseite gestaltet hat. Und was ihr außerhalb von euch seht, das seht ihr auch in eurem Inneren".

Der Mythos zeigt, wie wir Menschen völlig in unserer Aussenwelt versunken sind, in unserer illusionären Peripherie (im Hinduismus: "Maya"), während Jesus eine Figur repräsentiert, die über dieser Illusion steht, und die Menschen dazu aufruft: "Erwachet!"


Der Teufelspakt mit dem Ego - die wahre Interpretation von Goethes Faust

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Die berühmte Tragödie von Goethe wurde sicher oft interpretiert, aber oftmals mit einem großen Missverständnis, wie ich zeigen werde. Es ist die Geschichte vom menschlichen Ego, das zwar unermüdlich Wissen sammelt, und dabei doch nie Glück findet. Der Wissenschaftler Dr. Faust ist trotz aller Studien "so klug als wie zuvor" - was die Welt jenseits des Faktenwissens „im Innersten zusammenhält“ bleibt unbekannt. Es wird jetzt ein Pakt mit dem Teufel geschildert zwischen Mephisto und dem frustrierten, depressiven Faust, der das Problem des menschlichen Seins charakterisiert:
Faust verpflichtet sich zu endlosem Streben.

Mephisto repräsentiert das menschliche Ego (Faust: "Der Teufel ist ein Egoist"), und den menschlichen Verstand, dessen Nützlichkeit Mephisto hier bewirbt: "So will ich mich gern bequemen, dein zu sein auf der Stelle. Ich bin dein Diener, bin dein Knecht!" Der Verstand ist ein Werkzeug, das wir als Menschen zwar brauchen, er wird aber dann zu einem Problem, wenn wir uns völlig in ihm verlieren. Diese verhängnisvolle Verbindung bietet Mephisto/Ego hier an: "Ich will mich hier zu deinem Dienst verbinden, auf deinen Wink nicht rasten und nicht ruhn". Diese typische Rastlosigkeit unseres Verstandes verdammt uns zu Unzufriedenheit und ständigem Streben:
Faust beim Pakt: "Nur keine Furcht, daß ich dies Bündnis breche! Das Streben meiner ganzen Kraft ist grade das, was ich verspreche."
Und Mephisto drängt: "Verbinde dich! Ich gebe dir, was noch kein Mensch gesehn." - ein falsches Versprechen das an die Schlange im Paradies erinnert.

Jetzt sind wir also völlig mit dem Verstand identifiziert, und dieser versucht stets, das Glück in der Zukunft zu finden, ist aber unfähig, es dort zu erkennen, wo es nur sein kann: im jetzigen Moment. Und so geht der Kontakt zur Seele verloren - das ist der Verkauf der Seele. Genauso wie beim Fall von Eden, auf den im Stück oft hingewiesen wird, wird hier also beschrieben, wie die tieferen Bewusstseinsschichten durch das Verstandesego verdeckt werden.

Das "Teufelchen in unserem Kopf" redet uns ein, dass der jetzige Moment und wir selbst nie gut genug sind, und anstatt auch nur einmal innezuhalten, bekommen wir sogar ein schlechtes Gewissen, weil wir dann als faul gelten könnten - Faust beim Pakt: "Werd ich beruhigt mich je auf ein Faulbett legen, so sei es gleich um mich getan. Diese Wette biet ich an!". Und natürlich die berühmte Stelle:  "Werd ich zum Augenblicke sagen: Verweile doch, Du bist so schön, dann magst du mich in Fesseln schlagen, dann will ich gern zugrunde gehn."

Genau das ist der verhängnisvolle Irrglaube des Verstandes, und so hetzen wir durch das Leben als wäre der Teufel hinter uns her...  als würde der "Teufel uns holen", wenn wir uns mit dem zufrieden geben WAS IST.

Was die Religionen darüber sagen

Die Rückkehr in die Ruhe des Jetzt, das Wiederfinden unseres wahren Bewusstseins jenseits der Gedanken, ist Ziel von Meditation, und zentrales Thema der Religionen. Folgenden Ausspruch bezeichnete Eckhart Tolle als den vielleicht tiefgehendsten der ganzen Bibel: "Sei still, und erkenne: Ich bin Gott". In manchen englischen Übersetzungen heisst der Satz tatsächlich so:
"Beende dein Streben, und erkenne: Ich Gott bin"
("Stop your striving and recognize that I am God!")
- Psalm 46:10
Sehrt im Video, wie Eckhart Tolle diese Stelle erläutert!

Das "Göttliche" eröffnet sich also dem Menschen in der (psychologischen) Stille, die gleichbedeutend ist mit dem Beenden des Strebens, hinter dem sich eigentlich eine Flucht vor dem Jetzt verbirgt, und somit eine Flucht vor dem Leben. Das Gegenteil ist Meditation: völlige Öffnung gegenüber dem Jetzt wie es ist.

Das Beenden des Strebens ist aber auch einer der Grundpfeiler desBuddhismus, der auf den "Vier Noblen Wahrheiten" gründet, von denen die dritte die "Wahrheit des Zieles" genannt wird - das Nicht-Streben! Dadurch wird Nirvana - in christlicher Terminologie: Erlösung - erreicht.

Und der große Philosoph und Mystiker J. Krishnamurti beschreibt das Thema so:
Wir glauben, dass wenn wir nicht endlos suchen, streben, uns abmühen, nach etwas greifen, wir dann zugrunde gehen. Aber ein Verstand der nicht mehr gefangen ist in diesem Glauben und Suchen ist enorm lebendig. Wahrheit ist etwas das nur im Moment existiert, so wie Schönheit und Tugend, es hat keine Kontinuität, es ist kein Produkt der Zeit. Zeit ist Gedanke, und Gedanke ist Leid.
- 5th public talk, Paris 30th april 1967 (Q)
Genau in dieses Leid der Zeit, welche ein Konstrukt des Verstandes ist, haben wir uns beim "Fall von Eden" hineinbegeben, und analog beschliessen Faust und Mephisto/Ego ihren Pakt:
"Stürzen wir uns in das Rauschen der Zeit, in’s Rollen der Begebenheit! Da mag denn Schmerz und Genuß, Gelingen und Verdruß, miteinander wechseln wie es kann; Nur rastlos bethätigt sich der Mann." 
Hier wird neben der Rastlosigkeit und der Zeit auch die Dualität angesprochen, also die Eigenschaft unseres Verstandes, Realität nur anhand von gegensätzlichen Urteilen erfassen zu können, was beim "Fall" als "Erkenntnis von Gut und Schlecht" beschrieben wird. Und der suizidale Faust klagt somit über den Verlust der Seele und das Herausfallen des Menschen aus der natürlichen Ordnung: "Der große Geist hat mich verschmäht, vor mir verschließt sich die Natur."

Wenn wir hingegen den Moment in seiner Ganzheit, nicht-dual, annehmen wie er ist, wie in der Meditation, ohne ständig vor ihm "davonzustreben", lösen sich die Konstrukte von Zeit/Raum und Ego auf. Das wird beschrieben wenn Faust zum Mephisto-Ego sagt: "Werd’ ich zum Augenblicke sagen: Verweile doch! du bist so schön! dann bist du deines Dienstes frei, die Uhr mag stehn, der Zeiger fallen, es sei die Zeit für mich vorbei!" Solche "göttlichen" Einheitserfahrungen jenseits von Raum und Zeit passen dem Verstand überhaupt nicht: Mephisto: "Ungern entdeck' ich höheres Geheimnis. Göttinnen thronen hehr in Einsamkeit, um sie kein Ort, noch weniger eine Zeit."

Das Ego fürchtet das zeitlose Jetzt, denn es kann ohne unser Konzept von Zeit gar nicht existieren. Es besteht aus der Vergangenheit und strebt in die Zukunft, löst sich aber in der Gegenwart auf.

Die Erlösung von Faust:

Nach einem Leben mit langem Sündenregister erreicht Faust kurz vor seinem Tod endlich doch einen Zustand in dem er die berühmten Worte sagt: „Zum Augenblicke dürft’ ich sagen: Verweile doch, du bist so schön!"

Und bekommt deshalb Mephisto seine Seele? Natürlich nicht! Der Pakt war ein Bluff. Gerade dadurch, dass Faust seine Wette einhalten wollte, hat der Teufel längst erreicht was er wollte, nämlich dass Faust sich sein Leben lang diesen Zustand der Zufriedenheit verwehrte. Jetzt durchschaut Faust den Betrug und erkennt, dass dieser Zustand nicht der Untergang, sondern die ersehnte Erlösung ist. Die Illusion fällt von ihm ab, und die Engel kommen zu Hilfe mit dem Schlüsselsatz:
"Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen."
Heisst das, dass man sich erst durch ständiges Streben die Gunst der Engel erwirbt? Nein! Es ist eher wie in der Werbung: "Wer ständig Sodbrennen hat, dem können wir helfen." Das heißt nicht, dass Sodbrennen (oder endloses Streben) etwas Wünschenswertes wäre! Es bedeutet vielmehr, dass der Verstand sich nicht aus sich selbst befreien kann, sondern Erlösung nur durch die Hingabe an "höhere Mächte" - unsere tieferen Bewusstseinsschichten! - geschehen kann.

Und Mephisto geht jetzt leer aus und klagt: „Die hohe Seele, die sich mir verpfändet, die haben sie mir pfiffig weggepascht“ Faust ist dem Teufel nicht etwa entkommen, obwohl er die Zufriedenheit im Moment gefunden hat, sondern gerade deswegen.

Es wäre ziemlich dumm, nach erfolglosem Streben am Totenbett zu sagen: "Wenigstens habe ich die Wette mit dem Teufel gewonnen, und habe es geschafft, nie mit dem Moment zufrieden zu sein. Dem habe ichs gezeigt!" Nein, dann wurde man ausgetrickst! Und das trifft auf überraschend viele Interpretationen im Internet zu, inklusive Wikipedia, in denen Menschen wirklich glauben, Zufriedenheit im Moment wäre etwas Schlechtes. Ich glaube das ist die Genialität des Stückes, das so vielschichtig und doppeldeutig ist, dass sogar die Leser selbst dem Teufel auf den Leim gehen.

Ist die Welt ein gewaltiger Traum? - die Upanishaden

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Vishnu träumt Welten

Ist alles um uns Geist? Ist alles eine Struktur aus Träumen innerhalb von größeren Träumen? Das ist eine zentrale Aussage in Spiritualität und Religion, etwa im Hinduismus, aber auch im Christentum, und auch Philosophen wie René Descartes und Arthur Schopenhauer haben sich darüber den Kopf zerbrochen (wie ich noch zeigen werde). In diesem Artikel soll es aber zuerst um die Upanishaden gehen: die hinduistische Kosmogonie besagt nämlich, dass Gott Vishnu "die Welt im Schlaf träumt" (Q). 

Was das genau heißt ist nirgends so deutlich dargelegt wie in den sogenannten Mândûkya-Upanishaden! 

Die höchste Wirklichkeit ist demnach das eine Allbewusstsein, von dem die Vielheit der Formen lediglich als Illusionen hervorgehen ("Alle Vielheit ist Blendwerk, Vielheitlos ist die Wirklichkeit.") Und auch unser menschliches Dasein vergleichen die Upanishaden folglich mit einem Traum, aus dem wir wieder in höhere Realitätsebenen "aufwachen". Hier wird diese Traumanalogie erklärt (eckige Klammern von mir):

Alles, was wir im Traum sehen ist unwahr,
Weil alles dies nur inwendig [in unserem Bewusstsein] ist.

So wie Vielheit im Traum nur inwendig ist,
So ist sie es auch im Wachen;
Hier wie dort ist nur Vorstellung.

Der Zustand des Träumens und Wachens
Als derselbe gilt den Weisen,
Denn beiden ist die Vielheit gleich.

Was hier mit "Vielheit" gemeint ist, ist leicht erklärt: wenn wir im Traum scheinbar von vielen Objekten umgeben sind, ist es doch lediglich unser eigenes Bewusstsein. Das können wir auf unseren Wachzustand ummünzen, wobei die Upanishaden jetzt das Bewusstsein als wahre Quelle der Aussenwelt darstellen :

Wenn nun beiderlei Vielheiten
Unwahr im Traum und Wachen sind,
Wer erkennt beide Vielheiten?
Wer stellt sie sich im Bewufstsein vor?

Durch Selbsttäuschung stellt das Atman [Seele/Bewusstsein]
Sein Selbst durch sich selbst vor.

Als draufsen und als notwendig
Stellt der Atman es sich in sich vor.

Es wird hier geschildert, wie "Vishnu" (und überhaupt jedes Bewusstsein) Welten nach aussen projiziert, sie sich also aussen vorstellt, obwohl sie doch auch im inneren sind. Es hört sich ein bisschen so an, als würde das Innere nach aussen gestülpt, so wie wir es auch im Traum tun. So entsteht eine illusionäre Spaltung von Innen und Aussen:

Als Blendwerk nur besteht die Spaltung
jenes Einzigen, Ewigen [Vishnu].

Wahrheit ist aber die Unzweiheit,
Zweiheit ist nur in der Spaltungswelt;

Im Traum erleben wir eine Spaltung zwischen Traumpersönlichkeit und Traumumgebung, obwohl beides in uns existiert. Diese "Zweiheit" von Innen und Aussen ist vielleicht die grundlegendste Form dessen was Dualität genannt wird.

"Vishnu" bringt Seelen hervor in Form von seinen "Traumpersönlichkeiten", die je nach ihrer Perspektive Innen und Aussen wahrnehmen:

Die Seele stellt man vor erstlich,
Sodann die Getrenntheit der Dinge,
Der inneren und der äusseren.

Traumpersönlichkeiten können weitere Traumpersönlichkeiten hervorbringen, und diese wiederum, ssodass das entsteht was gemeinhin Schöpfungsebenen oder Himmelsebenen genannt wird (im Hinduismus ist von 7 himmlischen "Lokas" die Rede). Es ensteht eine baumartige Struktur die im archetypischen Symbol des "Weltenbaumes", der bei den Hinduisten "Ashwatta" heisst, perfekt veranschaulicht ist. Das habe ich in diesem Artikel erläutert, deshalb gehe ich hier nicht weiter darauf ein. Und so wird auch unser Universum als Maya, Illusion bezeichnet (runde Klammern im Original vom Herausgeber):

Wenn er uns als Prâna, als
all die vielen Dinge erscheint,
So ist das alles nur Blendwerk (mâyâ)
Mit dem der Gott sich selbst betrügt.

So wie man eine Wüstenspiegelung
Als Traum und Blendwerk erkennt,
So sieht man auch dieses Weltganze (Universum).

Auch das Universum ist ein göttlicher "Traum". Man sollte jetzt nicht glauben, dass wir Menschen selbst mit unserem winzigen Bewusstsein das Universum erschaffen würden. Das wäre etwas viel verlangt. Es wird eher vermittelt, dass aus hohen Schöpfungsebenen das Universum "erträumt" wird, und es somit kleineren Bewusstseinseinheiten als Erlebensbühne dient. Aber egal "woher" dieses Bewusstsein auch kommt, die grundlegende Aussage ist, dass unsere Innen- und Aussenwelt aus dem selben "Stoff" sind, auch wenn wir das (genau wie in einem Traum) momentan nicht erkennen.

Die Analogie von Traum und Realität wird hier noch einmal betont:

Wie in des Traumes Scheinvielheit
der Geist irrtümlich verstrickt ist,
Ebenso in des Wachens Scheinvielheit
er irrtümlich verstrickt ist.

Die deutschen Übersetzungen aus dem 19. Jahrhundert sind übrigens schrecklich, sie hören sich oft an wie Yoda aus Star Wars. Hier deshalb die nächste Stelle, die ich aus einer sehr guten, besser lesbaren englischen Übersetzung übernommen habe:

Die Objekte die dem Selbst als getrennt erscheinen sind nicht getrennt.
Wer das erkennt, kennt die Essenz der Upanishaden. Die Weisen verstehen,
dass das Universum nicht real ist, wie Objekte die im Traum erscheinen
nicht real sind im Vergleich zum Wachzustand.

Diese psychologische Trennung von Subjekt und Objekt zu überwinden, ist "Erleuchtung". Es heisst in den Upanishaden: "Ich verneige mich vor jenem Wissen, das nicht unterschiedlich ist vom gewussten Objekt." Das ist dann nicht abstraktes Verstandeswissen, sondern echtes, direktes Wissen, bei dem keine Trennung zwischen dem Wissenden und dem Gewussten existiert - dazu unbedingt die Artikelreihe "Was sind Gedanken" lesen! Unser Verstand ist aber immer in dieser Spaltung gefangen, die er aus eigener Anstrengung auch nicht aufheben kann - das nennen auch heutige Philosophen die "Subjekt-Objekt-Spaltung (Wikipedia)".

Dieses fundamentale Thema behandelten die Upanishaden schon vor vielen Jahrhunderten:

Was zweifach als Subjekt-Objekt
Scheint, ist Bewufstseinsschwingung nur;
Der Geist jedoch ist ewig objektlos.

Der Weisen Ziel ist dieses ew'ge
Zweiheitlose Identischsein.

Wahrnehmungslos und objektlos,
Das heifst die Überweltlichkeit;
Ihr Subjekt ist zugleich Objekt,

Das lehrten Weise aller Zeit.

So wie meine Umgebung im Traum nicht unabhängig von mir existiert, so bin ich auch im Wachzustand untrennlich mit dem Sein verbunden:

Das Ding und seine Vorstellung
Bedingen sich gegenseitig;
Bestandlos ist jedes für sich,
Nur im Bewufstsein stehn sie da.

Für diese Weisen gab es kein "mein" und "dein", kein "Ich" und kein "Ding", sondern eben nur "Sein". Das wird durch die Erkenntnis erreicht, dass hinter allem die selbe Lebenskraft steht. Dieser "erwachte" Zustand, so heißt es, ist eigentlich unser natürlicher Zustand:

Alle Wesen sind ursprünglich
Urerweckte (âdihuddha) das ist gewifs; —
Wer dieses sich genug sein läfst,
Der ist reif zur Unsterblichkeit.

Nicht anders wie das Christentum (vgl. Fall von Eden) vermitteln die Upanishaden, dass uns dieser Zustand verloren gegangen ist. Unser Bewusstsein hat sich - wie Eckhart Tolle es oft ausdrückt - von einem umfassenden "Raumbewusstsein" zu einem zersplitterten "Dingbewusstsein" reduziert. Wir sind, wie Jiddu Krishnamurti es nannte, zu fragmentierten Wesen geworden:

Doch diese Reinheit ist nicht mehr,
Wenn sie vielfach zersplittert sich;
Vielheitversunken, zwiespältig
Heifsen sie darum armselig.

Den Zustand des Einheitsbewusstseins, der eigentlich natürlich sein sollte, und von dem nur noch in Legenden berichtet wird, können wir heute lediglich durch Drogen annähernd erreichen. Über die wissenschaftlichen Versuche mit LSD berichtet dieser seriöse Zeitungsartikel (standard.at): Wie sich durch LSD das Ich auflöst. An den Zitaten zeigt sich, dass der "Traum" unseres Daseins eine ganz andere Qualität annehmen kann:
"Wer die Droge einnimmt, hat das Gefühl mit der Umwelt zu verschmelzen" ... "ein Verschmelzen der Außenwelt mit der eigenen Innenwelt" ... "ein Zustand des 'allumfassenden Bewusstseins'" ... "ein Phänomen, das auch als 'Ich-Auflösung' bekannt ist" (Q)
Es ist im Artikel davon die Rede, dass man aufgrund der Droge die "Fähigkeit" verliert, Innen und Aussen zu unterscheiden, als wäre das eine großartige Sache - eine völlig verkehrte Sichtweise. Ist es nicht eher so, dass wir Menschen die Fähigkeit verloren haben, Einheit mit dem Sein wahrzunehmen?!

Über die Überwindung von Innen und Aussen hatte auch Jesus einiges zu sagen. Darüber mehr im nächsten Artikel, wenn es darum geht was das Christentum zum Thema "Welt als Traum" zu sagen hat!

Ist die Welt ein gewaltiger Traum? heute: das Christentum

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Nachdem ich letztes Mal gezeigt habe was die Upanishaden zu dem Thema sagen, komme ich heute zum Christentum. Wenn es um die Frage geht, ob unsere ganze Existenz eigentlich Bewusstsein ist, ist folgende simple Feststellung der wichtigste Startpunkt: "Gott ist Geist" (Joh 4:24). Das sollte zwar klar sein, falls es aber wirklich noch Leute gibt, die an einen Mann mit Bart glauben, wäre das jetzt eine gute Gelegenheit damit aufzuhören. Wenn wir das jetzt mit einer Aussage von Paulus kombinieren, bekommen wir schon eine Idee von der "Welt als Traum": "In ihm, dessen Gegenwart alles durchdringt, leben wir, bewegen wir uns und sind wir. Er ist es, von dem wir abstammen, und wir sind von seiner Art." (Apostelgeschichte 17,28 hier und hier). Nach dieser Darstellung befinden wir uns nicht nur im göttlichen Geist, sondern sind natürlich auch selbst aus dem gleichen "Stoff" gemacht, und bewegen uns wie innerhalb eines göttlichen Traumes.
Das lässt sich alles wunderbar in allen Schritten der christlichen Kosmogonie, also Weltentstehung, belegen, und dann schauen wir was Jesus und Max Planck dazu sagen:

Am Anfang war das Bewusstsein

Ist alles Geist? In Anlehnung an die Bibel ("Am Anfang war das Wort") ist in den frühchristlichen Nag Hammadi-Schriften zu lesen:
In dieser Weise geht das Wort [Logos] des Vaters hinaus in das All, als eine Erscheinungsweise seines Willens. - Evangelium der Wahrheit
"Wort" ist die deutsche Übesetzung für das griechische "Logos", was eben Wille, Geist, Bewusstsein bedeutet. In Verbindung mit der Idee des gesprochenen Wortes entsteht der Eindruck eines Tones, oder eben einer "Bewusstseinsschwingung" (ein Begriff der auch in der aus dem 19. Jhdt stammenden deutschen Übersetzung der Upanishaden Verwendung findet). Wir haben hier eine direkte Übereinstimmung mit dem Urklang "Om", aus dessen Vibrationen die Schöpfung entstand.

Dass die Schöpfung eine rein geistige Angelegenheit ist, macht auch diese Stelle deutlich:
Und sein Gedanke vollbrachte eine Tat und trat in Erscheinung vor ihm im Glanz seines Lichtes. Das ist die erste Kraft, welche vor dem All war und welche in Erscheinung trat aus seinem Denken. - Das Apokryphon des Johannes
Jetzt entstehen durch diese "Gedankentätigkeit" neue Bewusstseins-Einheiten:

Die Entstehung der Seelen

Im folgenden Auszug wird dargestellt, dass die hervorgebrachten Seelen (hier als Äonen bezeichnet) dadurch existieren, dass sie vom ewigen Sein "gedacht" werden:
Der Vater, der sie (die Äonen) zuerst dachte, hat ein Denken gesät wie einen Samen, sodaß sie nun existieren mögen in seinem Denken als gedankliche Wesen und daß sie jedoch auch für sich selbst existieren. - Der dreiteilige Traktat
Das wird unterstrichen durch die Aussage: "Sie waren ewig in dem Gedanken, denn der Vater war wie ein Gedanke." Es wird hier vermittelt, dass die Seelen (von mir aus Engel) innerhalb des Gesamtbewusstseins existieren wie Gedankenformen, und dass diese aber, eben weil sie selbst Bewusstsein sind, wiederum freien Willen und eine eigenständige "Persönlichkeit" haben.

Aufgrund der fraktalen Natur des Seins sollte dieses Prinzip auch in uns beobachtbar sein, unsere gewöhnliche Gedankenenergie ist aber wohl zu schwach. Zen-Meister aber kennen ein Phänomen, das im Buddhismus "Tulpa" (Wikipedia) genannt wird: das Hervorbringen von stark konzentrierten Bewusstseinsformen, die "selbständig" werden, sich also vom Einfluss des "Schöpfers" ablösen, oder sogar für andere Menschen sichtbar werden.

Höhere Seelen bringen niedrigere Seelen hervor

Die hierarchische Abfolge von geistigen Welten, die ich in meiner Weltenbaum-Serie dargelegt habe, wird z.B. deutlich, wenn eine Seele "zwischen" Gott und Mensch - nämlich Christus - sagt: "Eines Tages werdet ihr erkennen dass ich in meinem Vater bin, und ihr in mir." (Johannes 14). Oder hier, wo der "Gottessohn" die Menschen wiederum als seine Söhne bezeichnet: "Ihr seid Götter, meine Söhne seid ihr!" (Psalm 82,6) Dass Christus selbst weitere Engel hervorbringt, ist in den Nag Hammadi-Schriften zu lesen:
Er aber, der Erstgeborene, wird ,Christus` genannt. Da er Macht hat von seinem Vater, schuf er eine Menge von Engeln ohne Zahl als sein Gefolge aus Geist und Licht. - Die Sophia Jesu Christi
Das Ergebnis dieses Prozesses sind immer kleinere Seelen die sich Welten teilen, und so wird das Universum auf der empfehlenswerten Seite Jenseits-de.com regelmäßig als gemeinsamer "Massentraum" bzw. "Massenillusion" bezeichnet.

Der Fall von Eden ... die Menschheit fällt in einen Schlaf

Nach dem Fall des Erzengels Luzifer schliesst sich der Fall des Menschen an, beide beschreiben Stufen des selben Prozesses, in dem Bewusstsein sich in immer tiefere Ebenen träumt. Der Mensch hat in sich ein Ego herausgebildet, eine gedankliche Kreation, und hat sich dadurch in eine Art von Tagtraum begeben, in dem wir die wahre Natur des Seins nicht erkennen. Im Zuge dieses "Falls" ist der Mensch in einen Schlaf verfallen:
Der Herr hat einen Geist über euch kommen lassen, der euch in tiefen Schlaf versetzt hat. (Jesaja 29:10)
In den Nag Hammadi-Schriften ist das so dargestellt:
Kommt, laßt uns bringen einen tiefen Schlaf über Adam. Und er schlief ein. Der tiefe Schlaf aber ist die Unwissenheit, die sie über ihn gebracht haben. - Das Wesen der Archonten
Natürlich ist der Schlaf kein buchstäblicher Schlaf. Es ist ein Verlust an Bewusstsein und Wahrnehmungsfähigkeit. Das wird an späterer Stelle deutlich wenn Jesus darüber spricht:
Und Jesus sagte: ,,Es ist nicht, wie Moses schrieb: ,Er brachte ihn in den Schlaf.‘ Vielmehr war es nur in seinen Wahrnehmungen, daß er schlief. Denn er sagte durch den Propheten: ,Ich werde ihre Herzen schwer machen, damit sie nicht aufmerksam sind und nicht sehen.‘ - Das Apokryphon des Johannes
In diesen Worten wird die Bedeutung von Meditation deutlich, durch die diese Aufmerksamkeit wiedergewonnen werden soll.

Jesus der die Menschen aus dem Schlaf erweckt

Wenn wir jetzt zum neuen Testament kommen, finden sich hier wieder weitere Anspielungen auf den Schlaf der Menschheit. "Es ist Zeit für euch, aus dem Schlaf aufzuwachen." (Römer 13) Zusätzlich dienen als weitere Metaphern auch die Blindheit oder der Tod, oft auch in Kombination wie hier:
Erwache aus deinem Schlaf! Erhebe dich von den Toten! So wird dich Christus erleuchten. (Epheser 5:14, hier und hier)
Genau das selbe haben wir in der Geschichte von der Erweckung von Lazarus, der als "tot" gilt:
Danach sagte Jesus zu seinen Jüngern: »Unser Freund Lazarus ist eingeschlafen. Aber ich werde hingehen und ihn aufwecken.« Sie antworteten: »Herr, wenn er schläft, dann geht's ihm bald besser.« Jesus hatte jedoch von seinem Tod gesprochen. (Johannes 11)
Warum werden Tod und Schlaf verwendet als wären sie austauschbar? Weil in der tieferen Bedeutung weder der buchstäbliche Tod noch der buchstäbliche Nachtschlaf gemeint sind, sondern der Zustand unserer Existenz, für den uns sonst die Worte fehlen. In der Bibel werden die Sehenden als blind bezeichnet, die Lebenden als tot, und die Wachen als schlafend. Das sind wir, denn so erscheinen wir im Vergleich zu höheren Existenzzuständen. Nur als Relation zwischen Seinsebenen sind diese Mythen richtig interpretierbar.

Eine weitere Metapher ist die "Trunkenheit":
"Seid wachsam, damit Ihr nicht belastet und abgestumpft werdet von Zerstreuung und Trunkenheit und den Sorgen des Lebens." (Q)
Diese Aussage könnte direkt von Eckhart Tolle stammen, einem der größten spirituellen Lehrer unserer Zeit. Wer ihn kennt wird auch verstehen, dass hier die Trunkenheit an unseren zerstreuten Gedanken gemeint ist - "Denken ist die größte Sucht der Menschheit", wie auch Eckhart sagte. Nicht einmal die Theologen verstehen diese Zusammenhänge, weshalb viele Bibelübersetzungen buchstäblich von "Rausch und Saufen" sprechen (Q). Auch die "Zerstreuung" ist mehr als eine leere Floskel, denn sowohl Eckhart als auch Jiddu Krishnamurti bezeichnen den Menschen als fragmentiertes Wesen das sich in seinen abertausenden Gedanken verloren hat.

In den Nag Hammadi-Schriften liest man diesen Aufruf zum Erwachen, wenn Jesus sagt:
Gut für den Menschen, der zu sich zurückkehren wird und aufwachen wird! Und gesegnet ist der, der die Augen eines Blinden geöffnet hat. - Das Evangelium der Wahrheit
Bleibt ihr etwa jetzt noch dabei zu schlafen, wenn es doch für euch angemessen ist, von Anfang an wach zu sein, damit das Himmelreich euch aufnimmt? - Der Brief des Jakobus
Mit der "Aufnahme in das Himmelreich/Königreich" ist der Zustand der Erleuchtung gemeint, das Erwachen aus dem egoischen Zustand. "Erwachte" wie Jesus oder Buddha sind wie Menschen, die während des Träumens "luzide" geworden sind, nur eben "1 Stufe höher":
Ein Klartraum oder auch luzider Traum ist ein Traum, in dem der Träumer sich dessen bewusst ist, dass er träumt. (Wikipedia)

Besteht das Universum aus Bewusstsein?

Wenn unser Leben tatsächlich wie ein Traum sein sollte, dann bedeutet das, dass sowohl Innen- wie auch Aussenwelt Bewusstsein sind, und dass somit auch die Wahrnehmung eines Verschmelzens möglich ist. Um diese Einheitserfahrung ging es ja ausführlich im vorigen Teil, und darauf spielt Jesus an, wenn er sagt (Thomasevangelium):
Wenn ihr das Innere wie das Äußere macht und das Äußere wie das Innere dann werdet ihr eingehen in das Königreich.
und
Das Königreich ist innerhalb von euch und außerhalb von euch.
Das alles bedeutet nicht, dass die Welt nur in unserem Kopf wäre. Es bedeutet, dass jenseits aller Formen das verbindende Formlose liegt, in dem Innen und Aussen verschmelzen.

Ein Puzzlestück fehlt uns noch: was sagt die Physik zu dieser "unerhörten" These? Fragen wir doch den Physiknobelpreisträger Max Planck, der diese Frage aus seiner Sicht längst beantwortet hat:
Max Planck über Geist und Materie
Max Planck (1858-1947)
Physik Nobelpreisträger
Als Mann der sein ganzes Leben der nüchternen Wissenschaft verschrieben hat, kann ich ihnen als Ergebnis meiner Erforschung des Atoms folgendes sagen: es gibt keine Materie an sich. Alle Materie existiert ausschließlich aufgrund einer Kraft die die Partikel des Atoms in Schwingung versetzt.

Es gibt aber keine ewige Kraft im Universum (wir können kein perpetuum mobile bauen). Wir müssen hinter dieser Kraft die Existenz einer bewussten Intelligenz annehmen. Dieser Geist ist der Urgrund aller Materie.

Ich erachte Bewusstsein als das Fundamentale. Ich sehe Materie als von Bewusstsein hervorgebracht. Alles worüber wir sprechen, alles was wir als existent ansehen, setzt Bewusstsein voraus. Quelle
I rest my case!

Im nächsten Teil zeige ich vermutlich noch, was bekannte Philosophen wie Rene Descartes oder Arthur Schopenhauer dazu sagen!

Narziss und Echo - der Fall von Eden auf Griechisch

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Heute komme ich zum großartigen Mythos von Narziss und Echo, einer griechischen Variante des Falls von Eden, in dem die Reflexionsfähigkeit des Verstandes, und somit auch das menschliche Ego erwacht. Narziss kann sich nicht mehr von seinem falschen Selbstbild trennen, und verliert sich so sehr darin dass er jämmerlich ertrinkt.

Die Versunkenheit in der Illusion ist schon im Wort "Narziss" (oder gr. Narkissos) enthalten, das mit "Narkose" verwandt ist. Die "Betäubung" als Symbol für einen Verlust an Bewusstsein ist ja schon in der griechische Schöpfungsgeschichte wohl etabliert, in der Kronos, betrunken vom Baum-Nektar, sich von Zeus überwältigen lässt (siehe mein Artikel!). Um den Mythos von Narziss zu verstehen, sollte man sich von allem lösen was man darüber zu wissen glaubt. Aber von vorne:

Wir haben 2 Haupt-Protagonisten, denn sein Fluch ist eine Bestrafung für sein schroffes Verhalten gegenüber der Nymphe Echo, die sich unsterblich in ihn verliebt hat, als sie ihn im Wald spazieren sieht. Doch aufgrund ihres eigenen Fluches kann sie ihm das nur schwerlich mitteilen: sie kann immer nur die letzten Worte wiederholen die Narziss zu ihr spricht, und er kommt sich ziemlich veräppelt vor. Als die Arme mit offenen Armen auf ihn zugeht um sich mit ihm zu vereinen, weist er sie grob zurück.

Es entsteht ein komisches verhindertes Liebespaar: er, der sich nicht vom reflektierenden Teich losreißen kann, und sie, die nur die gehörten Worte reflektieren kann.
Echo und Narziss am Teich
Beide Figuren verdeutlichen das selbe Thema der Reflexion, einmal in Form von Schall, einmal als visuelle Reflexion. Gemeint ist aber psychologische Reflexion.

Was ist psychologische Reflexion?

Der Verstand kann das wahre Sein nicht direkt erkennen, sondern fertigt Abbilder anhand der Werkzeuge mit denen er umgehen kann: Symbole, Wörter, Zahlen, Bilder.... Diese Abbilder sind aber nie das Echte, so wie das Wort nicht der Gegenstand ist, der Name nicht die Person, die Beschreibung nicht das Beschriebene. Diese Trennungen kann der Verstand nie aufheben. Eines der großen Themen des Mythos ist somit das Verlangen zur Vereinigung (Narziss mit seinem Spiegelbild, Echo mit Narziss), die aber nie gelingt.

Das Ego entsteht

Wenn wir unsere Reflexionsfähigkeit auf uns selbst anwenden, entsteht das Ego. Bei Kindern und Tieren ist es noch nicht vorhanden, weshalb die Katze einem ungeniert den Po hinhält, ohne sich etwas dabei zu denken. Sie hat kein gedankliches Selbstbild von sich über das sie sich Sorgen machen würde. Anders "Adam und Eva": sie aßen vom Baum der Erkenntnis und erkannten, dass sie nackt waren, worauf sie sich bedeckten. Zu der Thematik habe ich ausführlich in meinem Artikel "Ein wahrer Meister ist nicht selbst-bewusst" geschrieben.

Narzissen betrachten sich im Wasser
Aber mehr noch, die Entstehung des falschen Ego ist Ursache für jede Form von psychologischem Leid, und steht somit für das Verlassen eines sorglosen, "paradiesischen" Zustandes - bis hin zu einem "höllischen" Zustand der Depression. Darauf gibt schon der Wikipedia-Artikel über die Narzisse Hinweise:

"Die Herkunft des lateinischen narcissus ist unklar, könnte aber mit der Hölle in Zusammenhang stehen."

Es ist nicht mehr bekannt, ob der Name der Blume oder der Name der mythologischen Figur zuerst war. Es ist aber klar, dass die Blume sich mit ihrem Köpfchen über das Wasser beugt wie auch Narziss, und sie einen betäubenden Duft ausströmt (griechisch narkao = "ich werde betäubt, gefühllos, benommen"). All diese Informationen deuten darauf hin, dass die Hölle nur im Geist existiert, und zwar im durch selbst kreierte Illusionen "narkotisierten" Geist.

Der griechische Fall von Eden

Der Selbstmord begehende Narziss, der eigentlich Sohn eines Gottes ist, "fällt" im Mythos tief in die Sterblichkeit. In der Geschichte wird ihm vom Seher Teiresias nur dann ein langes Leben vorausgesagt, sollte er sich NICHT selbst erkennen (Q) - eine deutliche Parallele zum Fall von Eden, wo es heißt "Wenn ihr vom Baum der Erkenntnis esst, werdet ihr sterben".

Weiters habe ich ja schon vor kurzem die Geschichte von Jesus behandelt, in der er seine wie Narziss zu ertrinken drohenden Freunde aus dem Wassser zieht, während er selbst gefahrlos "auf dem Wasser geht" - Jesus wird hier also als jemand dargestellt, der über diese Illusion hinausgegangen ist. Das Wasser dient wie so oft als Symbol für einen illusionären Bewusstseinszustand, den es in einen höheren zu transformieren gilt, was auch in der "alchemistischen" Verwandlung von Wasser in Wein zum Ausdruck kommt. Dieser Artikel ist somit im Grunde eine Fortsetzung meines Artikels "Der Geist Gottes über dem Wasser und Jesus der übers Wasser geht - die wahre Bedeutung", den ich wärmstens empfehle!

Die Symbolik des Echo - das Äussere ist das Innere

Die Welt als Echo
unseres Selbst
Die Trennung zwischen den 2 Figuren Echo und Narziss ist selbst illusionär. Indem Narziss sein Echo als etwas äusseres verkennt und die angebotene Vereinigung ablehnt, besiegelt er sein Dasein in der Dualität. Im Echo liegt die tiefe Symbolik der Welt als Spiegelbild unseres Selbst. Denn wie wir sie wahrnehmen liegt vornehmlich an unserem eigenen Bewusstsein, und an unseren Erwartungen, die sich im Aussen - das liegt in der Natur unserer Psyche - stets bestätigt finden: wie es in den Wald hineinschallt, so hallt es heraus. So kreieren wir tatsächlich unsere eigene Realität. Narziss erlebt lediglich seine eigene Unhöflichkeit - die wahre Absicht von Echo, die nur Gutes wollte, blieb ihm deshalb verborgen.

In dem Ausmaß wie wir ein falsches Selbstbild haben (innere Spaltung, Narziss), haben wir auch ein falsches Bild von der Welt (äussere Spaltung, Echo). Beides aber sind Pendants der selben Problematik des Verstandes.

Echo (Q)
äussere Spaltung zwischen uns
und der Aussenwelt
Narziss (Q)
innere Spaltung - das Ich, das eine
Beziehung zu sich selbst hat



















Schaut euch auch diesen 5-minütigen Ausschnitt von Eckhart Tolle unten an, in dem er über diesen Mythos spricht. Er erklärt genau diese Spaltung zwischen dem ICH, und dem ICH mit dem ich eine Beziehung habe (egal ob Liebe oder Hass). Diese Spaltung überhaupt zu vereinen ist das Ziel. Das habe ich ja in vielen Artikeln unter der Bezeichnung "Subjekt-Objekt-Spaltung" (Tag) behandelt, die der Physikers und Philosoph John Wheeler in der berühmten Darstellung rechts verdeutlichte.


Leider ging das tiefe Verständnis über diesen Mythos weitgehend verloren. Dazu trugen z.B. Psychologen bei, die irgendwas von übermäßigem Masturbieren faseln. Es stimmt auch nicht dass er lediglich von eitler Selbstliebe handelt. Man könnte genauso sagen er handle von Selbsthass. Das zeigt die Geschichte, in der ein herunterfallendes Blatt Wellen auf dem Teich verursacht, und Narziss geschockt ist von seiner vermeintlichen Hässlichkeit (Q). Genau so wankelmütig und unsicher ist eben das Ego, das aber das wahre Selbst nicht sieht, das von solchen Urteilen unberührt ist.

Ist die Welt ein gewaltiger Traum? - Zhuangzi, Descartes, Schopenhauer u.a.

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der schlanfende Zhuangzi
Nachdem ich behandelt habe, wie Hinduismus und Christentum diese Sache sehen, folgt jetzt der dritte Teil, in dem ich zuerst einen Ausflug in den Osten zu Zhuangzi mache - einem der großen Mystiker des Daoismus - der nicht zuletzt bekannt ist für sein berühmtes Gleichnis vom "Schmetterlingstraum". Nach dem Aufwachen beschleicht ihn nämlich eine schockierende Frage: ist er denn wirklich Zhuangzi, der träumte er war ein Schmetterling, oder ist er der Schmetterling, der träumt er sei Zhuangzi? Diese Hinterfragung der wahren Natur unserer Realität - und was ist überhaupt Realität? - wird noch deutlicher in der nachfolgenden Stelle des selben Werkes - "Das wahre Buch vom südlichen Blütenland" aus dem 4. Jhdt vor Christus:

Während des Traumes weiß einer nicht, daß es ein Traum ist. Im Traume sucht er den Traum zu deuten. Erwacht er, dann erst bemerkt er, daß er geträumt. So gibt es wohl auch ein großes Erwachen, und danach erkennen wir diesen großen Traum. Aber die Toren halten sich für wachend und maßen sich an zu wissen, ob sie in Wirklichkeit Fürsten sind oder Hirten. Ihr seid Träumende. Daß ich dich einen Träumenden nenne, ist auch ein Traum. Solche Worte nennt man paradox. Wenn wir aber nach zehntausend Geschlechtern einmal einem großen Berufenen begegnen, der sie aufzulösen vermag, so ist es, als wären wir ihm zwischen Morgen und Abend begegnet.

Unser Leben selbst wird hier als "großer Traum" bezeichnet, und der wache Menschen als eigentlich Träumender - wer den vorherigen Teil gelesen hat, wird hier sofort die Parallelen zu manchen Bibel- und Jesussprüchen erkennen, die genau das selbe sagen. Im letzten Satz bezieht sich Zhuangzi noch darauf, wie selten solche "Erwachte" sind. Er selbst war übrigens (ungefähr) Zeitgenosse Buddhas und auch der großen Philosophen Griechenlands.

Ist die Welt ein gewaltiger Traum? Die selbe Frage stellte sich

Rene Descartes im 17. Jhdt.:
Jetzt aber schaue ich sicherlich mit ganz wachen Augen auf dies Papier. So deutlich würde ich nichts im Schlafe erleben!

Ja, aber erinnere ich mich denn nicht, daß ich auch schon von ähnlichen Gedanken in Träumen getäuscht worden bin? – Während ich aufmerksamer hierüber nachdenke, wird mir ganz klar, daß ich nie durch sichere Merkmale den Schlaf vom Wachen unterscheiden kann, und dies macht mich so stutzig, daß ich gerade dadurch fast in der Meinung bestärkt werde, daß ich schlafe.
- René Descartes: Betrachtungen über die Grundlagen der Philosophie
Wir können nie mit Sicherheit sagen, ob wir nicht träumen! Eine Tatsache, die auch Eckhart Tolle öfters ansprach. Und weiter:
Woher weiß ich, daß [Gott] es nicht so eingerichtet hat, daß es überhaupt gar keine Erde, keinen Himmel, keine Gestalt, keinen Ort giebt, und daß trotzdem alles dies mir genau so wie jetzt da zu sein scheint?
- René Descartes: Betrachtungen über die Grundlagen der Philosophie
Descartes grübelt also darüber, ob alles Illusion ist, und ob so eine "Hinterlist" denn mit einem "allgütigen" Gott vereinbar ist. Mit Wertungen muss man natürlich vorsichtig sein. Denn selbst wenn alles Illusion wäre, und wir das als Beleidigung empfinden, würden wir ja doch dieser Illusion das menschliche Dasein verdanken.

Descartes kommt zu dem Ergebnis, dass die einzige Aussage, die wir mit Sicherheit treffen können "Ich bin" ist. Nicht "ich bin dieses" oder "ich bin jenes", sondern nur "ich bin". Diese einzige Aussage, die über Bewusstsein, frei von Illusionen, getroffen werden kann, ist in der Bibel um Jahrtausende vorweggenommen, in der Gott als Yahweh - hebräisch für "Ich bin, der ich bin" - bezeichnet wird.

Springen wir noch einmal 2. Jahrhunderte weiter zu

Arthur Schopenhauer im 19. Jhdt 

Er gehört vermutlich zu jenen Philosophen, die "die Welt als Traum" am ausführlichsten und unmissverständlichsten dargestellt haben, und zwar in seinem Hauptwerk "Die Welt als Wille und Vorstellung". Seine Betrachtungen sind stark von den Upanishaden beeinflusst, die er als "die belohnendste und erhebendste Lektüre, die auf der Welt möglich ist" bezeichnete, und als "den Trost meines Lebens, und den meines Sterbens". Schopenhauer spricht vom "Traume des Lebens", der in unserem Bewusstsein entsteht:
Das Daseyn der Welt hängt an einem einzigen Fädchen: und dieses ist das jedesmalige Bewußtseyn, in welchem sie dasteht. Diese Bedingung drückt ihr, trotz aller empirischen Realität, den Stämpel der bloßen Erscheinung auf; wodurch sie, wenigstens von Einer Seite, als dem Traume verwandt, ja als in die selbe Klasse mit ihm zu setzen, erkannt werden muß.
Diese enge Verwandtschaft kommt in Schopenhauers schönem Ausspruch "Das Leben und die Träume sind Blätter eines und des nämlichen Buches" zum Ausdruck.

Schopenhauer bezieht sich immer wieder auf die östliche Weisheit, die, wie er sagt, auch mit Platoübereinstimmen:
Die Veden und Puranas wissen für die ganze Erkenntniß der wirklichen Welt, welche sie das Gewebe der Maja nennen, keinen bessern Vergleich und brauchen keinen häufiger, als den TraumPlato sagt öfter, daß die Menschen nur im Traume leben.
... Dann wird man dem Plato beistimmen, wenn er nur den Ideen eigentliches Seyn beilegt, hingegen den Dingen in Raum und Zeit, dieser für das Individuum realen Welt, nur eine scheinbare, traumartige Existenz zuerkennt..
Arthur Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vorstellung
Plato vermittelte im Rahmen seiner Ideenlehre, dass physische Objekte und Vorgänge lediglich "Schatten" ihrer wahren Form sind, und die Welt somit Abbild einer substanzielleren Ebene. Kant würde hier von der "Erscheinung der Dinge" sprechen, hinter der die wahre Natur der "Dinge an sich" aber immer verborgen bleibt.

Und nachdem Schopenhauer so die Geschichte der Philosophie Revue passieren lässt, kommt er endlich zu den östlichen Weisheiten, in denen er sich besonders wiederfindet:
Endlich die uralte Weisheit der Inder spricht: Es ist die Maja, der Schleier des Truges, welcher die Augen der Sterblichen umhüllt und sie eine Welt sehn läßt, von der man weder sagen kann, daß sie sei, noch, daß sie nicht sei: denn sie gleicht dem Traume, gleicht dem Sonnenglanz auf dem Sande, welchen der Wanderer von ferne für ein Wasser hält.
Arthur Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vorstellung
Einen guten Überblick über die Weltsicht Schopenhauers bietet dieser Auszug aus Wikipedia. Hier kommt die Trennung in Innen- und Aussenwelt (oder Subjekt und Objekt) zum Ausdruck, die aber - genau wie im Traum! - illusionär ist:
"Die Welt ist meine Vorstellung“ ist der erste Hauptsatz seiner Philosophie. Was uns als Welt erscheint, ist nur für uns, nicht an sich. Es gibt für Schopenhauer nichts Beobachtetes ohne Beobachter, kein Objekt ohne ein Subjekt. Die Welt, als Vorstellung betrachtet, zerfällt in Subjekte und Objekte, die letzten Endes beide nur Erscheinungen des Willens sind. Dieser ist nach Schopenhauer das Wesen der Welt, das sich, in Subjekt und Objekt erscheinend, gleichsam selbst betrachtet. (Arthur Schopenhauer - Wikipedia)
Weil es für Schopenhauer nichts Beobachtetes ohne den Beobachter gibt, kritisiert er die Naturwissenschaften, für die es nur Objekte gibt, aber die Subjekte völlig ausklammert, in deren Wahrnehmung sie erscheinen. Was Bewusstsein angeht, steht die Wissenschaft vor einem Rätsel. Sie bemüht sich, so Schopenhauer, die Vergangenheit zu rekonstruieren, angefangen bei der toten Materie, über chemische Vorgänge, hin zu Vegetation, Animalität bis zum Menschen, um so zum Bewusstsein zu gelangen. Doch Schopenhauer sieht hier einen fundamentalen Irrtum und wendet ein,
daß dieses letzte, so mühsam herbeigeführte Resultat, das Erkennen, schon beim allerersten Ausgangspunkt, der bloßen Materie, als unumgängliche Bedingung vorausgesetzt war.
Arthur Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vorstellung
Die dargelegte Kausalität hält er für ein Konstrukt unseres Verstandes und einen Zirkelschluss:
Plötzlich zeigte sich das letzte Glied [Bewusstsein] als der Anhaltspunkt, an welchem schon das erste Glied hieng, und die Kette als Kreis; und der Materialist gliche dem Freiherrn von Münchhausen, der, zu Pferde im Wasser schwimmend, sich selbst an seinem Zopf in die Höhe zieht.
Arthur Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vorstellung
Es scheint durchaus Astronomen zu geben, die genau dieser Problematik Rechnung tragen, wie ich schon in diesem Artikel (bzw. den anderen der gleichen Artikelreihe) angesprochen habe:
Das Universum konnte nur entstehen indem es von jemandem beobachtet wird. Es ist unerheblich, dass der Beobachter erst Milliarden Jahre später auftauchte. Das Universum existiert weil wir seiner bewusst sind.
Martin Reese, Astronom (Q)
Dass Beobachter und Beobachtetes eine untrennbare Einheit bilden, vermittelt - um die große Bedeutung dieses Punktes zu unterstreichen - etwa auch der jüdische Mystizismus, wie Kabbalah-Experte und Philosophieprofessor Michael Laitman darlegt:
Wir vergegenwärtigen uns eine bestimmte Realität um uns, aber tatsächlich ist da nichts; alles ist in uns. Wir unterscheiden lediglich die Realität in "Ich" und "etwas ausserhalb von mir". Wenn sich das offenbart, gibt es keinen Unterschied zwischen "aussen" und "innen" mehr. Alles verschmilzt in einem Punkt. (Q)
Schopenhauer sah diese Weltsicht in völliger Übereinstimmung mit der östlichen Weisheit, aber auch mit den Lehren Immanuel Kants, als dessen Schüler und Vollender er sich betrachtete, und dessen Lehren er als unwiderlegbaren Beweis der "Welt als Traum" erachtete:
Die selbe Wahrheit, wieder ganz anders dargestellt, ist auch eine Hauptlehre der Veden und Puranas, die Lehre von der Maja, worunter eben auch nichts Anderes verstanden wird, als was Kant die Erscheinung, im Gegensatze des Dinges an sich nennt. Kant nun aber drückte nicht nur die selbe Lehre auf eine völlig neue und originelle Weise aus, sondern machte sie, zur erwiesenen und unstreitigen Wahrheit; Solche deutliche Erkenntniß und ruhige, besonnene Darstellung dieser traumartigen Beschaffenheit der ganzen Welt ist eigentlich die Basis der ganzen Kantischen Philosophie, ist ihre Seele und ihr allergrößtes Verdienst.
Arthur Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vorstellung
Diese "traumartige Beschaffenheit der ganzen Welt" wird natürlich auch im Buddhismus angesprochen, wie dieses Zitat von Osho zeigt:
Buddha sagt dass da kein Selbst ist. Du hast nie existiert, du existierst nicht, du wirst nicht existieren. Du kannst nur träumen dass du bist. - Osho
Um aber endgültig das Leben als "Traum" zu entlarven, was, wie schon Descartes erkannte, ein schwieriges Unterfangen ist, gibt es natürlich nur eine Möglichkeit:
Das allein sichere Kriterium zur Unterscheidung des Traumes von der Wirklichkeit ist in der That kein anderes, als das ganz empirische des Erwachens.
Arthur Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vorstellung
Dieses Erwachen ist das Ziel jeder Spiritualität und Religion. Die gute Nachricht: spätestens beim Tod wissen wir mehr - der sich dann womöglich als Übergang entpuppt:
Die Besorgniß, es möchte mit dem Tode Alles aus seyn, ist mit dem zu vergleichen, daß Einer im Traume dächte, es gäbe bloße Träume, ohne einen Träumenden.
Arthur Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vorstellung
Auch wenn dieser Traum zu Ende geht, der Träumer bleibt.... er kehrt lediglich in eine höhere Realität zurück.

"Alles ist Schwingung!" Esoterischer Schwachsinn?

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Wer kennt nicht den Ausdruck "Alles ist Schwingung"? Diese Idee ist nicht etwa eine Erfindungen der heutigen Esoterik, sondern ein Konzept, das bis an den Beginn unserer Zivilisation zurückreicht. Das beginnt spätestens beim biblischen Ausspruch "Am Anfang war das Wort", denn was ist ein gesprochenes Wort anderes als Schwingung? Dieses "Wort" findet im Hinduismus sein Pendant im Ton Om, aus dessen Vibration das ganze Universum besteht. Ausgedrückt ist das nicht zuletzt durch den Schöpfergott Krishna, der meistens seine Flöte spielend abgebildet wird, aber auch durch das Horn des Heimdall in der nordischen Mythologie. Diese Vibration des Seins ist dabei identisch mit dem "Brahman", dem unendlichen göttlichen Geist. Genauso ist es aber auch beim christlichen "Wort", denn gemeint ist das griechische Wort "Logos", was ebenso für den göttlichen Geist steht. Wir sehen also nicht nur, dass die Existenz schon immer als Bewusstsein beschrieben wurde, sondern auch als Schwingung. In diesem Beitrag zeige ich, wie die Religionen der Wissenschaft um Jahrtausende zuvorkam!

Ja welche Frequenz denn?

Wenn jetzt jemand fragt, was das für eine Frequenz sein soll, aus der angeblich das Sein besteht, und welches Messgerät er aus dem Baumarkt holen muss, um sie zu messen, dann wird er enttäuscht sein. Vielleicht ist es so wie beim Begriff Urknall: es ist kein Knall im Raum, sondern die Entstehung des Raumes selbst! Wenn jemand mit einem Schallmessgerät den Raum messen will, dann wird er Pech haben. So ist auch die ominöse Frequenz keine Frequenz IN unserer Welt, sondern eine Charakterisierung der Welt selbst. Und das macht erst dann Sinn, wenn wir außer unserer Welt noch weitere Welten annehmen, und man deren Qualität  jeweils durch unterschiedliche Frequenzen voneinander unterscheidet. Wenn natürlich jemand meint, dass unser Universum alles ist was existiert, dann ist klar, dass das alles keinen Sinn ergibt. Temperatur macht auch nur Sinn, wenn ich davon ausgehe, dass es unterschiedliche Temperaturen geben kann, und Ton macht nur Sinn, wenn es höhere und tiefere Töne gibt etc. Das versteht man leicht anhand der...

Aggregatzustand-Analogie

Nach dieser Analogie wäre unsere materielle Welt wie Eiswürfel, andere Welten eher wie Wasser, andere eher wie Wasserdampf. Dadurch soll die Trägheit und Dichte der Materie zum Ausdruck kommen. Mit dieser Trägheit ist auch gemeint, wie schnell die Umgebung auf unser eigenes Bewusstsein reagiert. Und wie wir wissen, kümmert sich die Materie herzlich wenig um unser Bewusstsein. Das extreme Gegenbeispiel erleben wir in unseren eigenen Träumen, in denen die Umgebung und unsere Gedanken identisch zusammenfallen, und sich jede Vorstellung sofort realisiert. Interessanterweise beschreiben channelings (etwa jenseits-de.com) genau so die jenseitigen Welten, in denen sich die Bewohner nach dem Tod offenbar erst mit der Tatsache zurechtfinden müssen, dass sich Gedanken schneller manifestieren als bisher.

Die Seinsstufen, die seit jeher in den Religionen der Welt beschrieben wurden, unterscheiden sich in eben dieser Qualität:

Die Himmelsebenen der Religionen

Sie wurden meist als ein Modell aus vertikalen Schichten dargestellt, das sind 7 Himmel im Christentum, 7 Shamayim im jüdischen Talmud, 7 Lokas im Hinduismus, 7 samaawat im Islam, 9 Bereiche nach der nordischen Mythologie, 13 Ebenen nach den Maya, und noch mehr im Buddhismus. Die Zahlen sind aber unerheblich. Und diese Welten befinden sich auch nicht wirklich räumlich höher oder niedriger, auch wenn sie oft als "Hochhausmodell" dargestellt wurden. Aber deshalb ist ja der Begriff Frequenz so passend, da ja auch höhere und niedrigere Frequenzen nichts räumliches meinen und sich im selben Raum befinden können.

Genauso seien, so meinen die alten Schriften, die "Himmel" nicht räumlich getrennt, sondern definieren sich eher dadurch, welche Qualität das Bewusstsein annimmt. Hier bietet sich die Analogie an, in der der Mensch mit einem Radioempfänger verglichen wird, der das wahrnimmt, worauf er gerade ausgerichtet ist. In dem Zusammenhang sind Diskussionen unter Christen zu verstehen, "wo" denn das Paradies sei (es ist an keinem bestimmten Ort), und genauso erklärt ein Philosophieprofessor, dass Platons Ideenwelt nicht "irgendwo" ist, sondern von unserer eigenen Wahrnehmung abhängt.

Bewusstseins-Schwingung.... die "Schwingen der Seele"

fallende Engel
Nach heutiger Terminologie würden manche sagen, dass Bewusstsein sich in die materielle Welt begibt, indem es seine "Schwingung reduziert". Das hat eine interessante Parallele in der Religion, wonach die Seele "die Schwingen verliert". Diese Idee der "gefallenen Engel" findet sich beim spätantiken Philosophen Plotinus, dem bekanntesten Neuplatoniker:

"Da widerfährt es der Seele denn auch, dass sie, wie es heisst, die Schwingen verliert und in die Fesseln des Körpers geräth, nachdem sie sich verirrt hat aus dem Zustande der Unversehrtheit, in welchem sie sich als Gesammtseele hielt. So ist sie denn gefangen, gefallen."
- Aus den Enneaden des Plotin (Q

Diese Ideen prägten das spätere Christentum entscheidend mit. Nicht nur sind Schwingen und Schwingung natürlich Abwandlungen des selben Wortes, man kann sie in der religiösen Kosmologie austauschbar verwenden. Dabei ist interessant, dass die Seraphim mit 6 Flügeln dargestellt werden, die niedrigeren Cherubim haben noch 4, die Engel noch 2, und die Menschen keine mehr. Auch so kann man eine Schwingungsreduktion veranschaulichen!

Zwischen Religion und Wissenschaft

"Die Musik der Sphären",
Robert Fludd, 1617
Eine witzige Darstellung rund um das Thema Frequenz ist diese hier von 1617: "The music of the spheres" (die "Musik der Sphären") von R. Fludd. Diese alchemistische Zeichnung stellt verschiedene Seinszustände dar, die, wie damals üblich, mit verschiedenen Elementen und Himmelssphären assoziiert werden. Diese sind übereinander gereiht wie auf einem Thermometer, nur dass es eigentlich eine Art von Griffbrett eines Instrumentes ist, und oben kommt aus der Wolke die "Hand Gottes" und dreht an dem Knubbel um die Saite zu justieren. Sehr kreativ!

Es wird also ein Weltbild dargestellt, in dem sich verschiedene Stoffe, Formen und Welten aus Schwingungen unterschiedlicher Höhe ergeben! Und das in einer Zeit, wo die Wissenschaft mit Galileo erst vorsichtige Schritte machte, und Isaac Newton noch gar nicht geboren war. Und wie sieht das die moderne Physik? Teilchen-Physiker Harry Cliff vom CERN erklärt die 350 Jahre später entwickelte string theory so:
Eine der vielversprechendsten Kandidaten für eine einheitliche Theorie ist die String Theorie. Wenn man sich ein Teilchen von Materie genau anschaut, bemerkt man, dass es gar kein Teilchen ist, sondern winzige vibrierende "strings" aus Energie, wobei jede Frequenz von Vibration einem anderen Materieteilchen entspricht, ein bisschen so wie die verschiedene Noten auf einer Gitarrenseite. (Q)
Ja sowas! D.h. je nachdem welche Frequenz diese "strings" annehmen, entsteht ein anderes Atom, und ein anderer Stoff! Offenbar ist das aber eine Idee, die schon vor langer Zeit intuitiv erfasst wurde, und das, obwohl sie eigentlich alles andere als intuitiv ist.

Manche meinen ja, die Esoteriker sollen der Wissenschaft nicht ihre Begriffe stehlen, darüber habe ich ja schon geschrieben. Vielmehr erscheint es aber so, als wäre die Wissenschaft Jahrhunderte oder gar Jahrtausende zu spät. "Alles was existiert - das gesamte Universum - vibriert weil es aus dem Brahman hervorgegangen ist", ist im Katha Upanishad zu lesen - 500 vor Christus. (Q) Und auch die Gnostiker bezeichneten die Schöpfung als aus Klang bestehend! (QDas eigentliche Rätsel ist also genau umgekehrt: wie kann es sein, dass die Wissenschaft das bestätigt, was schon auf vergammelten Papyri steht. Die Physiker hätten ja auch auf ein völlig anderes Ergebnisse kommen können... z.B dass die Existenz eben NICHT Schwingung ist. Stattdessen entdeckt Einstein, dass Materie nur eine Erscheinungsform aus Energie ist, und die Quantenphysiker meinen, dass jedes Teilchen das Ergebnis einer kollabierenden "Wahrscheinlichkeitswelle" ist, sobald wir damit interagieren.

Newton machte die Welt zu Materie, nur um durch Einstein wieder zu Energie gemacht zu werden. Die Menschen schlingern fröhlich herum zwischen Weltbildern aus Bewusstsein, Materie und Energie. Die Verwirrung ist bei manchen so groß, dass sie Aussprüche wie "Alles ist Energie" reflexhaft als Schwachsinn empfinden, und vergessen dabei, dass das der aktuelle Stand der Wissenschaft ist. Absurd.

Geist, Materie oder Energie - ja was nun?

Die "Endstation" der Reise ist - wenn man mich fragt - aber völlig klar: es gibt gar keinen Unterschied zwischen Bewusstsein, Materie und Energie, sondern es sind verschiedene Audrucksformen des Einen. DAS ist das eigentliche Geheimnis!

Buddha - kein Fan der Esoterik

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Buddha war kein Fan von Esoterik! Und mit Esoterik meine ich nicht mystisches Wissen, das zu anspruchsvoll ist, als dass sich ein Großteil der Menschen damit beschäftigen würde (die eigentliche Bedeutung), sondern die oberflächliche Esoterik, in der Scharlatane gegen Geld die niedrige Neugier der Menschen befriedigen. An nichts lässt er ein gutes Haar, sei es die Sterndeutung, die Prophetie, oder die Tranceorakel. Aus dem  Pâli-Kanon, den Reden des Buddha1:
›Als wie gar manche ehrsame Priester und Asketen durch eine derartige gemeine Wissenschaft auf unrechte Weise ihren Unterhalt erwerben, und zwar durch Auslegen der Sterngesichte, Vorzeichen, Warnungen, der Träume, der Körpermale, der Maulwurflöcher, durch Besprechen der Leibesglieder, Besprechen von Haus und Feld, durch Kräutersegen und Erdesegen, durch Beschwörung von Schlangen, Skorpionen, durch Auslegen der glücklichen Zeichen an Edelsteinen, an Schwertern, Wurfscheiben, an Ziegen und Schafen, an Hühnern und dergleichen mehr, sie deuten den Lauf der Mäuse, die Krähen und ihr Krächzen, und dergleichen mehr: eine derartige gemeine Wissenschaft mit unrechtem Unterhalt hat er verschmäht, der Asket Gotamo.‹
Also denkt daran wenn ihr das nächste mal den Lauf der Mäuse auslegt! Buddha wird hier Gotamo Buddha genannt (Gautama ist eine üblichere Übersetzung). Und noch einmal das Lieblingsthema Wahrsagerei:
›Als wie gar manche ehrsame Priester und Asketen durch eine derartige gemeine Wissenschaft auf unrechte Weise ihren Unterhalt erwerben, und zwar vorhersagen: »Wir werden eine gute Regenzeit haben«, »Wir werden eine schlechte Regenzeit haben«, »Es wird eine gute Ernte geben«, »Es wird eine schlechte Ernte geben«, »Der Friede wird erhalten bleiben«, »Ein Krieg wird ausbrechen«, »Es werden die Könige gegeneinander ziehn«, »Es werden die Könige nicht gegeneinander ziehn«; »So wird der eine einen Sieg erkämpfen, der andere eine Niederlage erleiden«, und dergleichen mehr: eine derartige gemeine Wissenschaft mit unrechtem Unterhalt hat er verschmäht, der Asket Gotamo.‹ 
In der heutigen Zeit sind das jene Wahrsager, die voraussagen, welcher Politiker die Wahl gewinnen wird, als würden wir das nicht früh genug erfahren. Und weiter mit der Sternendeutung:
›Als wie  gar manche ehrsame Priester und Asketen durch eine derartige gemeine Wissenschaft auf unrechte Weise ihren Unterhalt erwerben, und zwar angeben: »Eine Mondesfinsternis wird eintreten, eine Sonnenfinsternis wird eintreten, eine Planetenbedeckung wird stattfinden; Sternschnuppen werden niedergehn, ein Erdbeben wird kommen, eine solche Vorbedeutung hat die Mondesfinsternis, eine solche die Sonnenfinsternis, eine solche die Planetenbedeckung; eine solche Vorbedeutung hat der Sternschnuppenfall, eine solche das Erdbeben«, und dergleichen mehr: eine derartige gemeine Wissenschaft mit unrechtem Unterhalt hat er verschmäht, der Asket Gotamo.‹

›Als wie gar manche ehrsame Priester und Asketen durch eine derartige gemeine Wissenschaft auf unrechte Weise ihren Unterhalt erwerben, und zwar flüstern sie ins Ohr; sie erforschen einen Spiegel, befragen eine Schlafseherin, erkunden Orakel und dergleichen mehr: eine derartige gemeine Wissenschaft mit unrechtem Unterhalt hat er verschmäht, der Asket Gotamo.‹ So etwa schon, ihr Mönche, mag der gewöhnliche Mensch über den Vollendeten ein günstiges Urteil fällen.
Buddha - kein Fan der Esoterik. Zumindest nicht wenn Ahnungslose anderen Ahnungslosen das Geld aus der Tasche ziehen wollen. Vielmehr sollen wir selbst in uns das Göttliche finden. Also können wir das alles ja beiseitelegen... Und die Rede endet mit den Worten:
So hatte der Erhabene gesprochen. Zufrieden freuten sich jene Mönche über seine Worte. Während aber diese Darlegung stattgefunden hatte, war ein Beben durch das tausendfache Weltall gegangen.
Was das wohl heißen mag?



Die Reden des Buddha: Aus der Längeren Sammlung des Pali-Kanons: 1. Rede. Das Priesternetz

"Ich weiss es nicht" - ein magischer Satz

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"Ich weiss es nicht" - es ist wohl einer der häufigsten Gedanken in unserer heutigen Welt, in der sich alles um Wissen und Informationen dreht. Interessanterweise hat der Satz eine ganz besondere spirituelle Bedeutung. Und noch interessanter, dass die Meinungen verschiedener spiritueller Lehrer diesbezüglich völlig entgegengesetzt sind.


Wenn Geoffrey Hoppe bei seinen monatlichen Treffen einem spontan gewählten "Freiwilligen" im Publikum eine Frage zum spirituellen Thema des Abends stellt, dann gibt es nur eine große Regel: die Worte "Ich weiss es nicht" sind verboten. Als Strafe droht die Verbannung auf die Toilette für einige Minuten. Und es ist für alle Anwesenden immer sehr amüsant, wie oft demjenigen, der auf einmal das Mikrofon vor dem Gesicht hat, dann doch diese Worte entkommen, obwohl die Regel bekannt ist. Mancher kann sich nach einem "Ich w..." gerade noch stoppen. Es ist ein Satz der uns wie automatisch in den Sinn kommt, denn wir sind es nicht gewohnt, überhaupt in uns nach einer Antwort zu schauen. Natürlich sind das keine Fragen nach dem Bruttoinlandsprodukt Guatemalas oder der Höhe der Zugspitze, sondern ganz persönliche Themen. Es geht nicht um auswendig gelerntes Wissen, sondern um Selbstbeobachtung. Und wenn wir die Antwort nicht wissen, wer dann? Wenn wir sagen "Ich weiss es nicht", noch bevor wir überhaupt in uns gehen, dann ist es ein Sich-versperren.

Eine ganz andere Sicht auf den Satz "Ich weiss es nicht" hat der große Mystiker Jiddu Krishnamurti. Für ihn ist es der Eintrittspunkt für einen geradezu meditativen Zustand:
Wenn eine Frage gestellt wird und das Denken findet keine Antwort und du sagst "Ich weiss es wirklich nicht", in diesem Zustand ist keine Erwartung, kein Warten auf eine Antwort, denn da ist niemand, der dir die Antwort geben wird. Du weisst zum Beispiel nichts über den Tod, nicht wahr? Wenn du wirklich ehrlich bist und keine Theorien erfinden willst, sagst du "Ich weiss es nicht". Was ist das für ein Zustand des Geistes der sagt "Ich weiss es nicht"? Ist da Denken? Dein Gehirn ist mit etwas konfrontiert das es unmöglich beantworten kann, die Gehirnzellen werden ruhig, denn da ist keine Reaktion. - Saanen, 06 August 1965
"Ich weiss es nicht" ist hier nicht ein Satz, der eine lästige Unterhaltung beenden soll. Im Gegenteil, es ist Ausdruck einer inneren Haltung der Offenheit, die den Startpunkt einer Erforschung darstellt. Die Akzeptanz der Tatsache, dass in der Lagerhalle des Gedächtnisses keine Antwort zu finden ist, öffnet hier die "mystische" Intelligenz der Gedankenstille. Dies erinnert an die chinesischen "Koans" der Zenmeister ("Wie klingt das Klatschen einer Hand?" etc..) die der Verstand unmöglich beanworten kann, und die so einen Zustand der geistigen Klarheit herbeiführen sollen. Zweifellos ist das auch das Geheimnis der Weisheit des Sokrates ("Ich weiss, dass ich nichts weiss"). Dieses Thema spricht auch Eckhart Tolle an, der bemerkte, dass der Dalai Lama auffällig oft auf Fragen mit "Ich weiss es nicht" antwortet... doch aus diesem leeren, offenen Zustand des "Ich weiss es nicht" entspringen dann plötzlich interessante Anworten, die scheinbar aus einem anderen Ort kommen als dem Verstand.

Es ist ein faszinierendes Paradoxon zwischen den Sichtweisen von Geoffrey Hoppe und Jiddu Krishnamurti, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Diesen Widerspruch fand ich immer interessant. Doch ist es wirklich ein Widerspruch? Wohl nicht! Denn esommt darauf an, ob es ein resignierendes "Ich weiss es nicht" ist, das einen auf der mentalen Ebene verbleiben lässt, oder ein sich öffnendes "Ich weiss es nicht", das über die mentale Ebene hinausführt.

Mehr als nur Sklaverei - die geheime Metapher von Herr und Knecht im Christentum

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niemandes Knecht: eine Katze
Es ist ein verhängnisvolles Verhältnis: Sklaverei und Christentum. Das alte Testament spricht zum Teil völlig unkritisch von Sklaverei. Kritiker behaupten, die ganze Bibel sei voll davon. Theologen  wiederum behaupten, Sklaverei hätte keine Bedeutung für ein metaphysiches Weltbild. Beides ist falsch. Hat "Sklaverei" eine wichtige Bedeutung? Allerdings, aber eine metaphorische! Anhand von Thomas von Aquins Hauptwerk "Summe der Theologie" zeige ich die wichtigsten Beispiele für das Gleichnis von Herr und Knecht, von den einfachsten bis zur tiefsten Mystik.
Beginnen wir mit den einfachsten Beispielen: zum einen ist jeder Mensch "Sklave", nämlich der "gefallene" Mensch im Gegensatz zum "paradiesischen".
„Soweit im freien Akte der Wille sich von der [göttlichen] Kraft entfernt, soweit er also fällt, soweit verliert er auch den Charakter des Freien und wird Sklave.“
So schreibt Thomas von Aquin (kurz Thomas) von unserer „unversehrten Natur, da sie noch nicht Sklave der Sünde war“. Christen meinen, nur durch die Gnade Gottes könne sich dieser Zustand ändern, und die Bibel verwendet dieses Gleichnis in diesem Sinne (Psalm 122):
„Wie die Augen der Knechte auf die Hände ihrer Herren gerichtet sind, so schauen unsere Augen auf den Herrn unseren Gott, daß Er Sich unsrer erbarme;“
Diese "Knechtschaft" besteht nicht zuletzt in der Abhängigkeit von der materiellen Stofflichkeit. Der Mensch sei paradiesisch gewesen, "weil er den Stoff wohl in seiner Natur hatte, aber dessen Herr war, und nicht dessen Sklave". Doch jetzt sei der Mensch Sklave der Natur.
Dies führt zur wichtigen Metapher von Herr und Sklave als Sinnbild für das Verhältnis von Seele und Körper. Darauf verwies schon Aristoteles, den Thomas mit den Worten zitiert: "Der Körper steht zur Seele im selben Verhältnisse wie der Sklave zum Herrn." Ich möchte meine Hand heben, und die Hand hebt sich. Thomas schreibt:
„Die Glieder des Körpers sind keine Principien von Thätigkeiten, sondern nur Werkzeuge dafür; sie stehen deshalb zur bewegenden Seele im Verhältnisse eines Sklaven, der nur bestimmt wird, der aber nichts selbständig wirkt oder bestimmt.“
Doch halt, so einfach ist das nicht, wie das von Thomas angeführte Zitat des römischen Philosophen Seneca zeigt:
„Zu groß bin ich und zu allzu großen Dingen bin ich geboren, als daß ich Sklave meines Körpers werde, den ich nicht anders ansehe wie eine Kette, welche meiner Freiheit angelegt ist.“
Auch die Gnostiker des Frühchristentums betrachteten den Körper als ein Gefängnis, das uns in dieser gottverlassenen Welt festhält. Es zeigt sich ein Dilemma: sind wir nun Sklaven des Körpers, wie Seneca meint, oder ist der Körper Sklave unseres Geistes, wie Aristoteles meint? Die Mönche wollten natürlich letzteres erreichen, nämlich Herrn über den Körper zu sein, weshalb Thomas schreibt:
„Es sei erforderlich, daß `der Mensch seinen Körper züchtige und zum Sklaven mache´ vermittelst des Enthaltens von Speise und Trank und dergleichen."
Das Fasten sollte wohl die Herrschaft über den Körper festigen. Und: "So sagt auch Paulus (1. Kor 6.): `Ich züchtige meinen Leib und mache ihn zum Sklaven;'“, woraufhin Mönche sich oft selbst geisselten. So artet eine eigentlich nachvollziehbare philosophische Überlegung, nämlich ob Geist über Materie herrscht oder umgekehrt, plötzlich zu abartigen Verhaltensweisen aus. Dumm wie die Menschen sind, bietet selbst die Formulierung im übertragenen Sinn noch viel Anlass für Probleme.

Seele und Ego als Herr und Knecht

Doch jetzt geht es richtig los, denn die Metapher bezieht sich nicht nur auf Geist und Körper, sondern auch auf Konflikte innerhalb des Geistes. Thomas erwähnt deshalb nach Aristoteles beide Arten von "Untergebenen":
"Aristoteles unterscheidet mit Rücksicht auf die vernünftige Seele eine sklavische Herrschaft und eine bürgerliche. Sie befiehlt dem Körper wie einem Sklaven. Die Vernunft aber leitet das Begehren wie ein König seine freien Unterthanen. ... Die Abwehr- und Begehrkraft haben etwas Besonderes in sich, Kraft dessen sie widerstehen können."
Das Ego hat die Kraft und Fähigkeit, sich von der Seele abzuwenden. Die Seele - der Herr und Meister - führt das Ego an einer langen Leine, sogar so lange, dass wir die Seele aus den Augen verloren haben. Mehr noch, das Ego gewinnt Überhand und macht sich selbst zum Herrn:
„Es beweist Augustinus, daß ›durch nichts Anderes die menschliche Vernunft Sklavin der Begierde wird wie durch sich selbst, das heißt durch den eigenen Willen.‹“
Plötzlich offenbart sich: wir alle sind zugleich Herr und Untergebener, unterwerfen uns eigentlich selbst. Wir sprechen von verschiedenen Ebenen des Bewusstseins, die nicht in Einklang sind. Denn wären Körper, Geist und Seele im Einklang, es bräuchte nicht all die Metaphern von Herr und Sklave. Das Ego hat die Herrschaft im Haus der Psyche übernommen, obwohl es eigentlich nur Knecht sein sollte, die Seele hat das Haus verlassen. Hohe Bewusstheit ist nötig, um ihre Stimme zu vernehmen. Das ist das Gleichnis, mit dem Jesus die Seele beschreibt (Markus 13,33):
"Es ist wie mit einem Mann, der sein Haus verließ, um auf Reisen zu gehen: Er übertrug die Vollmacht seinen Knechten, jedem eine bestimmte Aufgabe ... Seid also wachsam! Denn ihr wisst nicht, wann der Hausherr kommt, ob am Abend oder um Mitternacht, ob beim Hahnenschrei oder erst am Morgen. Sorgt dafür, dass er euch nicht im Schlaf überrascht. Was ich aber euch sage, das sage ich allen: Seid wachsam!"
Herr und Knecht beschreiben in Wahrheit Relationen innerhalb der Psyche. Warum ist dies so wichtig? Die ganze Spiritualität besteht aus solchen Relationen.

Die Illusion psychologischer Relationen

Relationen sind eine interessante Sache: Sie existieren nicht wirklich, sondern entstehen nur durch einen Vergleich. Kein Mensch ist an und für sich Knecht, sondern nur dadurch, dass da ein Herr ist. Kein Mensch ist an und für sich Herr, sondern nur dadurch, dass da ein Knecht ist. Genauso ist kein Mensch an und für sich Vater, es sei denn da ist ein Sohn, und umgekehrt. Es gibt auch keinen Gedanken ohne den Denker, und es gibt gar keinen Denker ohne den Gedanken. Das Denken erschafft den Denker! Das Ego ist Illusion, und es löst sich augenblicklich auf, sobald nicht gedacht wird.

Anhand von Relationen spielt das Bewusstseins Tricks mit sich selbst. Daher der Aufruf des Mystikers Krishnamurti, wir sollen uns nicht mit anderen vergleichen, denn nur dadurch entsteht das Ego. Der Mensch, der die Illusion der Relation durchschaut, kann auch nicht mehr "Sklave" sein. An der Wurzel der "Vertreibung aus dem Paradies" steht das selbstreflektierende Denken. Das faszinierende ist, dass dies auch anhand des höchsten "Herrn" verdeutlicht wurde. Denn das Konzept der Dreifaltigkeit ist eine Beschreibung dieser geistigen Relationen, die ein Bewusstsein mit sich selbst eingeht - Vater und Sohn sind eins. Mystiker bezeichneten folglich die ganze Welt als einen Traum im Geist Gottes, eine Illusion aus der Relation Schöpfer-Schöpfung.

Wird die Metapher von Herr und Knecht wörtlich verstanden (was leider oft geschieht), und wird die Metapher von Vater und Sohn rein biologisch verstanden (was leider auch geschieht) sind Probleme vorprogrammiert. Wir sehen, wie schnell man bei dieser Thematik von leicht verständlichen Aussagen zu Themen gelangt, die wohl nur die größten Mystiker in voller Tiefe verstanden.

Das Erwachen der Verschwörungstheoretiker

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"Erwachen" ist ein missbrauchtes Wort, das heutzutage inflationär verwendet wird. Was bedeutet es, "zu erwachen"? Selbst wenn wir gar keine eigene Erfahrung davon haben, was Mystiker damit meinen, so können wir doch sehr leicht beantworten, was Erwachen NICHT ist. Erörtern wir deshalb den gewaltigen Unterschied zwischen dem "Erwachen" der Verschwörungstheoretiker und Gesellschaftskritiker und dem Erwachen der Mystiker.

In der Welt gibt es heutzutage überraschend viele Erwachte. Sie sind Erwachte, weil ihnen die Regierung nicht zusagt, und weil sie die Nachrichtensprecher und Zeitungen nicht mögen. Sie nennen sich erwacht, weil sie das Vertragskonstrukt des Staates ablehnen, und weil sie bestimmte Industriezweige für verdächtig halten. "Wacht doch endlich auf!", lautet der Aufruf in diesen Kreisen. Und Aufwachen meint, die eine Partei zu wählen, und nicht die andere, oder gar keine Partei, oder den Fernseher wegzuwerfen. Oft bedeutet es, ein bestimmtes Feindbild anzuerkennen. Wer das nicht tut, ist ein Schlafschaf. Hier kommen wir in einem Rutsch zum Thema der Verschwörungstheorien.

Was sind Verschwörungstheorien? Sie bauen ein Feindbild durch eine Geschichte auf, in der man selbst der Belogene, der Hintergangene, Manipulierte, Unterdrückte, kurz: das Opfer ist. Je stärker man dieses Feindbild des Bösen aufbaut, desto mehr ist man der "Gute". Man ist auch der Gescheite, der den Plot erfolgreich durchschaut hat. Das Anerkennen der Theorie suggeriert schon eine Art von Erwachen. "Ich wusste ja gar nicht, dass die dort oben das mit uns machen! Andere wissen das noch nicht." Das Produkt, das eine Veschwörungstheorie verkauft, ist aber vor allem eines: Emotion. Emotion ist die Nahrung des Egos, welches sich als Protagonist in der Geschichte definiert. Man wird selbst zum Helden, der das Böse erfolgreich entlarvt, anprangert, bekämpft und irgendwann ausmerzt. Eine verführerische Idee, die dieser Spielfilm im Kopf anbietet! Ein solches Feindbild kann z.B. die pädophile Hollywood-Elite sein, die - so viel steht fest - Kinder foltert und deren Adrenalin schlürft, um sich frisch und jung zu halten (ja, das ist heutzutage wirklich eine gewöhnliche, durchschnittliche VT, Stichwort "Adrenochrom"). Der emotionale Kaloriengehalt dieses Feindbildes ist verständlicherweise hoch. Verschwörungstheorien brauchen also immer einen guten Bösewicht.

Dem Leser entgeht wohl nicht die Ironie, wenn der Bösewicht der Geschichte Hollywood, die Geschichtenschmiede, ist. Ja, die Verschwörungstheoretiker sind tatsächlich Opfer Hollywoods, nämlich kindlichen Hollywood-Denkens, aber das besiegt man nicht, indem man  Schauspieler verhaftet, sondern im eigenen Inneren. Etwa durch folgende Frage: warum brauche ich eigentlich in meinem echten Leben Bösewichte im Aussen, die erst besiegt werden müssen, um ein Happy End zu erreichen (die "Zeitenwende", den "Bewusstseinssprung", den "Aufstieg in die höhere Dimension", das Paradies...)? Liegt es wirklich an bösen Menschen da draussen, dass wir selbst nicht "erleuchtet" sind? Sind wir alle erwacht, sobald wir nur genügend böse Menschen eingesperrt haben? Würden die Verschwörungstheoretiker wissen, was Erwachen im spirituellen Sinne ist, wir hätten dieses Happy End vielleicht schon erreicht, und zwar ohne äussere Feindbilder. Denn egal, wie viele Bösewichte man besiegt hat, man wird danach verblüfft feststellen, dass man selbst noch immer derselbe ist! Und das Böse wächst wie das Unkraut nach, weil bei niemandem eine innere Veränderung stattgefunden hat. Solange wir das Böse im Aussen bekämpfen, hat das mit Spiritualität noch gar nichts zu tun, hat man Spiritualität noch nicht mal angekratzt. Nein, der äussere Kampf ist nur das dualistische Gut-Böse-Schema, die "Frucht von Gut und Böse", von der wir schon viel zu viel gegessen haben, und das ist das genaue Gegenteil von Erwachen. Es ist der Fall. Die Welt wimmelt von selbsternannten Erwachten, die sich völlig im eigenen Hollywoodfilm der Gut-Böse-Dualität verloren haben, und das als die Lösung wähnen.

Der nächste ironische Umstand ist, dass Verschwörungstheorien beanspruchen, Manipulation aufzudecken, aber regelmäßig selbst der Manipulation dienen. Die Beweggründe sind meist offensichtlich. Die meisten Leser werden zum Beispiel wissen, dass Hollywood eine liberale Hochburg ist, und dementsprechend von der anderen Seite durch Schauergeschichten attackiert wird. Die geballte Emotion, die dabei bei den Anhängern generiert wird, kann dann gegen den unliebsamen Gegner gebündelt abgefeuert werden. Erwachen bedeutet nicht, eine Verschwörungstheorie zu glauben. Es bedeutet viel eher, die psychologischen (und gesellschaftlichen) Mechanismen zu verstehen, die solche Theorien entstehen lassen. Und das heißt nicht, dass es keine echten Verschwörungen geben kann, oder dass schlimme Dinge nicht tatsächlich passieren. Es geht vielmehr um die Frage, ob das denn viel mit dem Erwachen, von dem die Mystiker sprechen, zu tun hat.

Wir müssen das Erwachen, von dem die Mystiker sprechen, von dem "gesellschaftspolitischen Erwachen", von dem das Internet voll ist (Jammern über Politiker, Medien und Industriezweige) unterscheiden, und es ist erschreckend, wie beides vermischt und verwechselt wird. Beides hat tatsächlich sehr, sehr wenig miteinander zu tun, ja steht oft in direktem Gegensatz, denn der Kampf im Aussen dient als willkommene Ausrede, nie nach innen schauen zu müssen (und das trifft auf uns alle mal mehr, mal weniger zu). Der Grundsatz ist:

Es ist nicht Spiritualität, wenn es sich nicht auf das eigene Innere bezieht.

Mystiker meinen mit Erwachen das Auflösen des Egos, das Auflösen gedanklicher Selbstdefinitionen, und ein eigentlich unbeschreibbares psychologisches Phänomen. Die Falle, in die die "Erwachten" ("Ich habe meinen Fernseher schon weggeworfen") tappen: das angebliche Erwachtsein wird zur neuen Selbstdefinition. Sich als erwacht zu definieren ist das Gegenteil von Erwachtsein. Dies drückte Jiddu Krishnamurti in mehreren Formen aus, wenn er etwa meinte: "Zu sagen `ich bin bescheiden' heißt, nicht bescheiden zu sein", oder: "Zu sagen 'ich weiss' heißt, nicht zu wissen". Das Göttliche findet sich hinter unseren Definitionen, nicht in den Definitionen.

Für den Mystiker sind Innen- und Aussenwelt wie gegenseitige Spiegelbilder. Der Fokus muss aber immer auf dem Inneren liegen, das Aussen ist wie eine Reflexion davon. Ein typisches Beispiel, in dem die "gesellschaftspolitisch Erwachten" beides verwechseln, ist das Thema "Souveränität". Der wahre Mystiker ist souverän, unabhängig, eigenständig. Dies verkommt im Aussen zu einer Frage über die Souveränität abstrakter Staatenkonstrukte und mangelhafte Vertragswerke, die "Erwachten" fühlen sich von fremden Mächten besetzt, warten auf ihre Befreiung in Form eines anderen Staatenkonstruktes. "Erwachen" heißt für sie, die Idee, besetzt und unterdrückt zu sein, anzuerkennen, und wer das nicht sieht, der schläft - absurd, wenn man nur darüber nachdenkt. "Wann werden wir denn endlich souverän?" fragt eine verzweifelte Frau im Internet, die auf die große militärische Befreiungsaktion von den dunklen Kabalen wartet. Ja, wann?

Avatar - die tiefe Symbolik des Filmes

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Der Film Avatar von 2009 ist momentan der erfolgreichste Film aller Zeiten. Und manche finden den Film gar oberflächlich und fragen sich: wie konnte der Film so erfolgreich werden? In diesem Artikel zeige ich die tiefe Bedeutung von Avatar auf, die meiner Meinung nach für den Erfolg verantwortlich ist. 

Der geheime - oder gar nicht so geheime - Hauptdarsteller des Filmes ist der gewaltige Baum im Zentrum des Geschehens. Um ihn dreht sich alles. Es ist das, was in der Mythologie und Religion als Weltenbaum bekannt ist. Er ist Symbol des Kosmos und der gesamten Existenz. Dies vermittelte auch Jesus in der Bibel, als ihn die Jünger fragten, wie sie sich denn die Schöpfung (das "Reich Gottes") vorstellen sollten. Und Jesus meinte: stellt euch vor, ihr nehmt ein winziges Samenkorn, pflanzt es in der Erde, und daraus erwächst ein gewaltiger Baum, und die Menschen leben nun in diesem Baum wie die Vögel (Gleichnis des Senfkornes). Hier erkennen wir schon die Parallele mit dem im Film dargestellten Volk der Na'vi, die in ihrem Heimatbaum leben. Wenn der Baum ein Modell der Schöpfung ist, so lebt der Mensch aussen in der Peripherie, weit draussen in den Zweigen. Unser Universum mag nur ein solcher Zweig am Baum der Schöpfung sein. Wenn man so will, sind die verschiedenen Ebenen der größeren Äste die Himmelsebenen, die die Religionen beschreiben. Das bedeutet auch, dass der Mensch weit entfernt lebt von der Wurzel, die alles hervorbringt. Was ist diese Wurzel, die Quelle des Seins? Das ist die große Frage, die der Film stellt. Und jeder Mensch hat auf diese Frage eine andere Antwort, und daraus entsteht der in der Handlung dargestellte Konflikt. Sehen wir uns das an.

Fragt man einen religiösen Meschen, so ist die Wurzel des Seins natürlich Gott. Es gibt keine Religion, in der Gott nicht als Baum symbolisiert wird. Fragt man hingegen einen Wissenschaftler, so ist die Wurzel der Urknall. Man verfolgt die Kausalität entlang der Zeit, und findet somit die Quelle. Wäre unser Universum ein Baum, so wäre die Singularität die Wurzel, und auch das ist eine berechtigte Sichtweise. Fragt man wiederum einen durchschnittlichen Menschen, was die Quelle seines Seins ist, also das, was ihn nährt und erhält, so ist es das Essen und Wolle für den Körper, Steine und Metalle für das Haus, und Rohstoffe für die Energie. Das sind unsere Ressourcen - ein Wort, in dem das englische bzw. französische Wort für "Quelle" schon drinsteckt: source. Auch die Natur ist somit die Wurzel, die uns nährt. Und hier kommt die Wirtschaft ins Spiel, denn die stellt sicher, dass wir mit diesen Dingen versorgt werden. Auch das kann man als die Wurzel des symbolischen Baumes betrachten. Wir haben jetzt also schon drei große Bereiche unserer Gesellschaft erwähnt: die Religion, die Wisschaft und die Wirtschaft, Bereiche, zwischen denen alle erdenklichen Dynamiken und auch Spannungen bestehen. Und alle finden unterschiedliche Dinge im Leben wichtig: materielles, spirituelles, oder intellektuelles. 

Dazu gesellt sich aber noch ein vierter Bereich der Macht: das Militär. Dieses steckt allzu oft mit der Wirtschaft unter einer Decke, wenn jemand Anderer Ressourcen hat, die man gerne haben möchte. Es gibt aber auch unzählige religiös motivierte Kriege, sodass wir auch die Verbindung zwischen Religion und Militär ziehen können. Genauso aber zwischen Militär und Wissenschaft, die zu modernen Waffen beiträgt. Ein Netzwerk aus Verbindungen entsteht. Was der Film nun macht, muss verstanden werden: diese Bereiche werden personifizert dargestellt. Die Wissenschaft ist personifizirt durch Grace Augustine, das Militär durch Colonel Quaritch, die Wirtschaft durch Parker Selfridge (he's only trying to make "himself rich") die Religion durch die Na'vi, und auch die Natur, in der sich das alles abspielt, bildet eine lebendige Figur. Der Film stellt also einen Querschnitt durch die gesamte Gesellschaft dar. Der Protagonist Jake wird in die Mitte dieses Spannungsfeldes geworfen, und muss diese Kräfte navigieren, Bündnisse abschliessen und Abmachungen treffen - wie eigentlich jeder Mensch! Schlagen wir uns auf die Seite der Religion? Der Wissenschaft? Suchen wir weltliche Macht? Materiellen Reichtum? 

Jeder hat eine andere Idee davon, was die Wurzel des Seins ist, und somit eine andere Herangehensweise: die Na'vi repräsentieren einen nahezu paradiesischen Menschen, der sich problemlos mit dem Baum verbinden kann, und somit einen direkten Draht zur göttlichen Wurzel herstellen kann. Das ist alles was sie brauchen. Die Wissenschaftler wiederum können wir im Film dabei beobachten, wie sie Wurzeln untersuchen. Sie stecken Nadeln in die Wurzel, untersuchen die chemischen Vorgänge in der Wurzel, messen die elektrischen Impulse in der Wurzel, entnehmen Proben daraus etc. Auch die Wissenschaftler sind an der Wurzel des Seins interessiert, wenn auch auf andere Weise. Und was die Wirtschaft angeht, so bemisst sich die Wurzel nur in finanziellem, materiellem Wert - für sie ist die Wurzel Ressourcen. Alles das ist symbolisiert im zentralen Motiv des Filmes, dem großen Ziel jeder menschlichen Suche: der Schatz an der Wurzel des Baumes! 

Das uralte Motif des Schatzes an der Wurzel

Was ist der Schatz an der Wurzel? Das Motif ist viel älter als man denkt und taucht in Mythen und Märchen auf. So gibt es etwa eine Erzählung, in der der Gott Merkur in einem Gefäß an der Wurzel eines Baumes verborgen liegt. Niemand hat das Motif so genau untersucht wie der "Tiefenpsychologe" Carl Jung. Er schrieb ausführlich über den "Weltenbaum" und stiess auch immer wieder unweigerlich darauf. Als er mit Patienten Experimente zum "Zeichnen aus dem Unterbewusstsein" durchführte, so zeichneten diese immer wieder Baummotive. Oft ähnelten die Zeichnungen Szenen aus alten Mythen, selbst wenn die Probanden mit diesen gar nicht vertraut waren - Mythen sind die Sprache des Unterbewusstseins. Und unter diesen Baummotiven fanden sich eben auch welche, die einen Schatz unter dem Baum darstellten. Zwei Beispiele sehen wir hier:
In der linken Zeichnung sehen wir eine Schatzkiste zwischen den Wurzeln des Baumes, in der rechten einen großen Edelstein. Gezeichnet von Probanden C.G. Jungs. Aus: The Collected Works of C.G. Jung, Volume 13: Alchemical Studies; Kapitel II: On the history and interpretation of the tree symbol, 1. The tree as an archetypal image.

Für Mystiker ist der Schatz der Ursprung der Seele, und könnte in Meditation oder in einer Erleuchtungserfahrung gefunden werden. Die Na'vi haben diese Verbindung ohnehin schon. Sie sind schon in Besitz ihres Schatzes. Was ist, wenn der Mensch einer solchen spirituellen Verbindung nicht mehr fähig ist? Der Schatz verkommt zu etwas rein materiellem, und man denkt: warum nicht einfach den Baum zerstören, und nach dem Schatz greifen? Offensichtlich ist das eine sehr andere Weltsicht, die nicht in Harmonie mit der Gesamtheit des Seins steht. Der Film stellt deshalb einen Kampf rund um Erhalt oder Zerstörung des Weltenbaumes dar, ein Konflikt aufgrund unterschiedlicher Sichtweisen, was denn die Wurzel unseres Seins ist. Die Geschichte erreicht dadurch einen psychologischen Tiefgang, der selten in Filmen erreicht wird. Der Erfolg von Avatar ist deshalb in seiner archetypischen Symbolik zu suchen, die (fast) jeder Mensch unterbewusst versteht, egal wo er lebt oder in welcher Kultur. Umso erstaunlicher ist es, wenn manche meinen, der Film hätte keinen Tiefgang. Ich bin mir nämlich sicher, dass der Tiefenpsychologe Carl Jung widersprochen und großen Gefallen an dem Film gehabt hätte. Es ist ein großartiger alter Mythos in modernem Gewand.

Jesus, der an einem Baum gekreuzigt wurde: Bildbeispiele

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Die Kreuzigung ist eines der bedeutendsten Symbole des Christentums. Was manchen nicht bekannt ist, ist dass das Kreuz gleichbedeutend mit dem "Baum des Lebens" ist. Dieses ist wiederum gleichbedeutend mit dem "Heiligen Weinstock", den Jesus selbst in Analogien verwendet, und auch mit dem Heiligen Ölbaum. Sie sind allesamt Ausformungen des einen, einzigen "Weltenbaumes", dem Symbol der gesamten Schöpfung. 

Meine Analyse der Schriften hat gezeigt, was das Kosmische Baumsymbol wirklich bedeutet: Das Urbewusstsein "Gott" selbst habe sich baumförmig als die Schöpfungshierarchie aus unzähligen Seelen fragmentiert. Innerhalb dieser allumfassenden, baumförmigen Bewusstseinsstruktur vollziehen sich demnach auch Aufstieg und Abstieg der Seele, und somit auch Auf- und Abstieg des Idealbildes "Jesus".

In diesem Beitrag will ich einige historische Abbildungen des am Baum gekreuzigten Jesus zeigen, oder besser, auf sie verweisen. Einfach den Links folgen! Für mehr zu dem Thema haltet unbedingt Ausschau nach meinem neuen Buch "Der fraktale Gott und der Weltenbaum" das bald erscheinen wird!

Lebensbaumtafel aus der Frankfurter Dominikanerkirche, 2. Hälfte 15. Jh., Frankfurt am Main, Historisches Museum; Kurz-URL und Sicherung: http://tiny.cc/frat 

Illustration in »Arbor vitae crucifixae Jesu Christi« von Ubertino da Casale (1259-1325) http://www.fratellofrancesco.org/www.fratellofrancesco.org/a_fr2_alberoubertino.html; oder: http://tiny.cc/umbe 

Gelmälde »Ecclesia and the Crucified Christ« von Hendrick Goltzius, 1610 https://www.pbase.com/image/153225649; oder: http://tiny.cc/golt 

Christus gekreuzigt am Baum des Lebens, 17. Jh.

Fresko »Albero della vita« von Giovanni di Corraduccio, Monastero di Sant’Anna a Foligno https://www.budharris.com/the-cross-as-a-tree-of-life/

Illustration von 1482: Jesus an einem großen Weinstock gekreuzigt

Illustration von Willem Vrelant, ca. 1460:

»Der Traum der Jungfrau Maria«, Gemälde von Simone dei Crocifissi, 14. Jh., Pinacoteca Nazionale, Ferrara. 


Erschuf Gott Eva aus Adams Rippe?

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Jeder kennt die Geschichte aus der Genesis: Zuerst gibt es nur Adam. Dann vollzieht Gott (wenn man den Text wörtlich auslegt) eine Operation an ihm und erschafft aus seiner Rippe Eva. Doch fundamentalistische Auslegungen führen selten zu tiefem Verständnis. Enthüllen wir die wahre, mystische Bedeutung des Textes!

Das hebräische Wort für „Rippe“ ist Tsela. Tsela kann zwar Rippe heißen, wird in der Bibel aber viel häufiger im Sinne von „Seite“ verwendet – so wie die Seiten einer Truhe. Das Wort kommt im Alten Testament ganze 41 Mal vor, aber nur in der Geschichte von Adam und Eva bedeutet es „Rippe“. Wenn wir verstehen, wie die Bibel das Wort in den meisten Fällen verwendet, können wir auch die Bedeutung des Mythos von Adam entschlüsseln! Sehen wir uns das Wort also genauer an.

In 5 der 41 Verwendungen bezeichnet Tsela die zwei gegenüberliegenden Seiten der Bundeslade (ja, die von Indiana Jones). Dann bezeichnet es in Exodus mehrfach die vier Seiten eines Tabernakels, jenes Schreins, in dem die Hostie verwahrt wird. Dann bezeichnet es die zwei Seiten eines Altars. In Samuel wird es verwendet, um einen Berghang, also die Seite eines Berges, zu beschreiben. In Ezekiel bezeichnet das Wort mehrfach die vier Seiten eines Hauses. Dann gibt es noch eine Verwendung in der Phrase „das Unheil ist an seiner Seite“.

Das Wort Tsela, das nur im Mythos von Adam und Eva zur „Rippe“ wird, bezeichnet also immer die Seiten derselben Sache. Wir nähern uns der Lösung des Rätsels.

Die aufschlussreichste Verwendung finden wir jedoch im Buch Könige: Dort bezeichnet das Wort die zwei Hälften einer Flügeltür. Die Symbolik ist interessant: Die Tür ist eins, besteht aber aus zwei Seiten – eine Dualität!

Dualitäten spielen in Religionen und in der Spiritualität eine große Rolle. Unsere Welt ist von Dualitäten geprägt, auch von der Dualität von Mann und Frau. Der Mythos verdeutlicht, dass der Mensch erst im Zuge des Falls (der Vertreibung aus dem Paradies) in die Welt der Dualität gelangte!

Daraus folgt, dass der ursprüngliche „Adam“ überhaupt kein Mann ist, denn im wahren paradiesischen Zustand gibt es die Unterscheidung von Mann und Frau noch gar nicht!

 Adam verstanden die Mystiker vielmehr als engelsgleiches Wesen, das erst später in die Welt der Materie und Biologie eintritt. Sehen wir uns einige der Belege dazu an, bevor wir mit der Analyse fortfahren:

"Adam war ursprünglich androgyn", sagt der Religionswissenschaftler Jacques Menard.[i]

Der Zohar, das Hauptwerk der jüdischen Mystik, besagt: „Adam ist sowohl männlich als auch weiblich“; "Männlich und weiblich werden somit beim Eintritt in diese Welt getrennt."[ii]

Die Religionswissenschaftlerin Catherine Kavanagh schreibt: "So wie der Mensch ursprünglich geschaffen wurde, war er weder männlich noch weiblich, sondern das perfekte Abbild Gottes. […] Die Trennung der Geschlechter war das Resultat des Falls."[iii]

Carl Jung schrieb: "Vor der Erschaffung von Eva war Adam, verschiedenen Traditionen zufolge, sowohl männlich als auch weiblich."[iv]

Der christliche Mystiker Jakob Böhme schrieb: "Adam war das Abbild Gottes, er war Mann und Frau, und doch keines davon."[v]

Der Mythos besagt also nicht, dass die Frau aus dem Mann entsteht. Mann und Frau entstehen beiderseits aus einem nicht-dualistischen Zustand!

Das Wort Tsela ist also genauso zu verstehen, wie es in der Bibel zumeist verwendet wird, nämlich als die "Seiten" ein und derselben Sache: Eine Flügeltür ist eins, und besteht doch aus zwei Seiten, so wie die Menschheit eins ist, und doch aus Mann und Frau besteht. Das Wort verdeutlicht somit eine symmetrische Dualität.

Die Entstehung aus der Rippe ist ein Wortspiel

Die Idee einer symmetrischen Dualität geht bei der Übersetzung als "Rippe" natürlich völlig verloren. Die Genesis verwendet das Wort Tsela, das sowohl Rippe als auch Seite heißen kann, offensichtlich als Wortspiel, um die Teilung von Mann und Frau buchstäblich als Operation an der Seite Adams darzustellen. 

Mythen wie diese dürfen nie wörtlich ausgelegt werden! Sie müssen interpretiert werden wie symbolhafte Theaterstücke. Der Mythos beschreibt also nicht Gott als Chirurg, sondern den Eintritt der Seele in eine Welt der Dualitäten.

 --

Kleiner Nachtrag: Ein Leser hatte folgenden Einwand, der aber auf einem kleinen Missverständnis beruht:

"Interessante Deutung, nur wenn die Welt symmetrisch wäre, gäbe es keine Bewegung. Sie wäre tot."

Meine Antwort: "Das Wort Symmetrie meint nicht, dass die zwei Seiten einer Dualität völlig gleich wären. Das sind sie ja nicht, sonst wäre es keine Dualität, sondern eine Einheit. Das Yin-Yang-Symbol ist symmetrisch (bzw. beide Seiten sind gleichförmig), und doch verdeutlichen die zwei Seiten verschiedene Qualitäten. Du kannst dir also, wenn du willst, eine Flügeltür vorstellen, deren linke Seite weiss, und deren rechte Seite schwarz ist."

Und jetzt, wo ich darüber nachdenke, scheint mir die Rippe von Adam wie der schwarze Fleck in der weissen Hälfte des Yin-Yang-Symbols. Wir könnten also sagen: Eva ist die Rippe von Adam, und Adam die Rippe von Eva.

 

 

 

 



[i]Menard, Jacques E. »Beziehungen des Philippus- und des Thomas-Evangeliums zur syrischen Welt« In: Tröger. Altes Testament – Frühjudentum – Gnosis: Neue Studien zu »Gnosis und Bibel«. S. 323

[ii]Zohar Englisch, Ekev, Kap. 4, Synopsis; Zohar Englisch, Tazria, Abs. 24. http://www.phoenixmasonry.org/The_Book_of_Zohar.pdf, oder: http://tiny.cc/zoh

[iii]Kavanagh, Catherine. »The nature of the soul according to Eriugena«. In: Elkaisy-Friemuth. The Afterlife of the Platonic Soul. S. 89

[iv]Jung. The Collected Works, Vol. 9ii: Aion. Abs. 319, 320

[v]Boehme. Mysterium Magnum, Vol. 2. S. 82. Kap. 41:23


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